24 Zentimeter
Der Kaffee in der Tasse war dunkelbraun. Noch dampfte er. Der Geruch überdeckte den widerlichen Gestank toten Fleisches und getrockneten Blutes. Überall klebte es. An ihren Händen, an der Kleidung, der Teppich hatte sich vollgesogen und ein Teil der Wand bezeugte die schreckliche Tat. Blutspritzer klebten an der ehemals weißen Wand, das Blut war herunter gelaufen und hatte schließlich am Ende des Weges Nasen gebildet. Neben ihr auf dem Tisch lag die Tatwaffe. Eines der Messer aus der Küche. Wie stolz er immer auf seine Messer gewesen war. Gepflegt hatte er sie, sauber gehalten, ordentlich aufbewahrt. Alle hatten eine Geschichte, wie er einmal erzählt hatte. Wie gerne er kochte. Dafür all die Messer. Japanische oder so. Sündhaft teuer.
Jana stand auf und suchte die Hülle. Sie fand sie in einer Schublade. "Tojiro Damaskus Pro (63 Lagen)" stand auf einer goldfarbenen Schachtel, die das Messer beinhaltet hatte. Darin lag ein Zettel, der alle weiteren Details festhielt. "21 cm Klingenlänge, 200 g schwer", mit Bleistift war der Preis notiert worden: "368,00 Euro".
"Dafür hattest Du Geld." Sie warf die Schachtel auf den Boden und kickte sie quer durch die Küche. Die verdammte blitzblanke Küche, die genau widerspiegelte, wie er gewesen war. Sauber, rein, glänzend. Makellos. All das verkörperte er, es hatte ihn bekannt und erfolgreich gemacht, hatte ihm Geld eingebracht und dafür gesorgt, dass niemand hinter die Fassade blicken wollte. Die Zeitungen hatten Homestories abgedruckt, mit Tausenden von Fotos einer blitzenden Küche, der sündhaften teuren Einrichtung, der weißen Ledercouch, des Flachbildfernsehers. Ein romantisches Schlafzimmer, natürlich auch mit sündhaft teurer Einrichtung, hatte der Frau, die es in seinem Leben leider noch nicht gab, den perfekten Ehemann in spe mit dem absolut perfektem Sexualleben versprochen.
James war nicht perfekt gewesen. Es war nur eine Fassade, die einstürzte, sobald sich die Haustüre schloss, die Rolläden herunter gelassen worden waren und die Öffentlichkeit nichts mehr sehen konnte, was sich in seinem Leben und in seinem Haus abspielte. Dann war Jana da. Die Haushälterin, die sich doch eigentlich "so glücklich" schätzen konnte, wie die Medien es formuliert hatten. Aber Jana war nicht glücklich, denn sie hatte eine Seite von James kennengelernt, die sonst wohl niemand kannte. Er war ein Tyrann gewesen, hatte sie geschlagen, gedemütigt und sie wie eine Sklavin gehalten, die jede Nacht seine perversen Spielchen aushalten musste.
Jana hatte fliehen wollen, aber das hatte er ihr ausgetrieben, indem er sie eine Woche in den dunklen, kalten Keller gesperrt hatte. Ohne Nahrung, ohne einen Schluck Wasser. Sie hatte nicht gedacht, so etwas überleben zu können, aber sie hatte es überlebt - und es jeden Tag mehr bereut.
Es gab keinen Plan. Die Hoffnung war lange geflohen. Aber es gab dieses Messer, das Jana am Nachmittag heimlich genommen hatte. James hatte ihr am Morgen eine "heiße, geile Nacht" versprochen und sie wusste nur zu gut, was das bedeutete. Sie wollte vorbereitet sein, sich wehren können, wenn er sie wieder fesselte, quälte, vergewaltigte.
Schlecht gelaunt war James nach Hause gekommen, hatte geschimpft und geflucht und sie angeschrieen: "Der Tag war scheiße! Und Du, Schlampe? Hast Du Dich schön ausgeruht? Komm her, blas mir einen, Du kleine Hure!" Damit hatte die Nacht angefangen und sie war lange und endlos gewesen. Geprägt von Folter, Schlägen und Vergewaltigungen. Sie hatte geschrieen vor Schmerzen, ihn angefleht, sie in Ruhe zu lassen, geweint, sich erniedrigt und irgendwann, nach vielen Stunden still alles ertragen.
Als der Morgen graute, hatte er von ihr abgelassen und es sich auf der Couch bequem gemacht. Jana war zitternd aufgestanden, hatte das Messer aus seinem Versteck geholt und hatte sich auf James gestürzt. Er war zu langsam gewesen, zu überrascht, um sich zu wehren. Eigentlich hatte Jana ihn nur kastrieren wollen, aber als sie ihn schreien hörte, als sie sein bestes Stück in den Händen hielt und das Blut sah - all das Blut in seinem Schoß, auf dem Leder, an ihren Händen - da hatte sie weitergemacht und zugestochen. Immer und immer wieder. In das Ledersofa, in seine Arme, seine Beine, seinen Bauch. Wann hatte er aufgehört zu schreien? Wann hatte er nicht mehr geatmet? Welcher Stich war der tödliche gewesen? Jana wusste es nicht. Sie war in eine Art Trance verfallen und erst aus ihr erwacht, als James schon lange tot war und das Wohnzimmer einem Schlachtfeld glich. Überall war Blut. Ihrer rechten Hand das Messer, in ihrer linken Hand sein schlaffer, toter Penis. Sie hatte ihn angestarrt und war aufgestanden, um beides auf den Tisch zu legen. James hatte sie nicht angesehen. Wie jeden Morgen hatte sie Kaffee gemacht. Schwarz und stark. Sie hatte eine Tasse genommen und sich eingeschenkt.
Und jetzt war sie hier. Sicherlich würde es nicht mehr lange dauern, bis die Cops kamen und sie mitnahmen und somit ihr Todesurteil besiegelten. Für Mord stand in diesen Breitengraden die Todesstrafe. Jana würde sterben. Als die Mörderin des großen, reinen Stars. Nicht als das Opfer, das sich gewehrt hatte.
Der Kaffee war kalt, als sie aufstand, das Messer nahm und das Stück Fleisch, das die ganze Zeit leblos daneben gelegen hatte. Sie ging zum blutverschmierten Körper ihres Peinigers und rammte das Messer durch den Penis in James' Brust. Dann tauchte sie ihre Hand in das trocknende Blut und schmierte an es an die Wand. "Besessenes Monster" schrieb sie blutig an die unschuldige Wand.
Jana ging in die Küche, riß die Schubladen auf und suchte das längste Messer, das James besaß. Es war ein Hattori Messer, was immer das auch sein mochte. 24 cm reichten ihr. Die Klinge lächelte ihr zu, als sie sich die Hände wusch und sein Blut in den Ausguss floss.
Das Messer in der Hand, ging sie ins Wohnzimmer, sah lächelnd auf ihr Werk und spuckte im Vorbeigehen auf den leblosen blutigen Fleischberg, der einmal ihr Peiniger gewesen war.
Die Sonne ging gerade über dem Meer auf und tauchte alles in ein erwartungsvolles Lächeln. Jana trat ans Fenster und sah diesem Schauspiel der Natur zu. Sie hatte dies immer getan nach Nächten der Qual und der Schande. Heute war es anders. Sie hatte gewonnen.
Jana hob das Messer. "Ich habe meine Hände in Unschuld gewaschen", sagte sie. Die Cops würden sie nicht kriegen. Aber James auch nicht mehr. Er würde nicht als reiner Star begraben werden - und sie nicht als dreckige Mörderin.
Mit diesem Wissen konnte sie beruhigt sterben.
1 Comments:
Stephen King nimm dich in acht! Hier kommt deine legitime Nachfolgerin.
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