Montag, März 05, 2007

Die Bibelin

Predigt gehalten am 18.02.2007 in der Christuskirche zu Tutzing.


Wissen Sie, was die Welt gebraucht hat? 42 Frauen, die sich zusammensetzen bei Kaffee, Tee und selbstgebackenem Kuchen, tratschen, und zwischen dem Austauschen von Rezepten und Haushaltstipps die Bibel übersetzen. An dem Kaffeekränzchen dürfen zehn Männer teilnehmen. Natürlich die Ehemänner und besten Freunde, denn sonst gibt es ja Streit. Diese Missgunst von Männern, wenn mal eine Frau ein großes Projekt am Haken hat – das kann die beste Theologenehe vernichten.

Aber die 42 Frauen haben Großes vor. Eine neue Bibel, in der Frauen endlich zu ihrem Recht kommen und Männer hinten anstehen. Schließlich sind sie seit Anbeginn der Schöpfung an erster Stelle gekommen und hatten die besten Jobs. Damit muss jetzt Schluss sein und damit ist Schluss.

Die Bibel in gerechter Sprache ist geboren. Politisch korrekt wird Gott einer Geschlechtsumwandlung unterzogen und heißt jetzt „die Lebendige“. Auch die Jünger werden weiblich. Nicht alle, nein. Schließlich braucht man ja ein paar Männer, über die man sich aufregen kann. Nur Jesus muss ein Mann bleiben. Leider. Dabei wäre Jesa ein so schöner Name für ein Kind.

Aber mal im Ernst: Eine Frau wäre niemals so unsensibel. Ein Mann hingegen lehnt sich gegen die eigene Familie auf, er nimmt anderen Familien ihren Ernährer und fordert sie auf, ihm zu folgen und zieht einfach so durch die Welt und lässt sich von Frauen aushalten. Eine Frau würde das ja niemals tun! Wir Frauen sind einfach die besseren Menschen und jetzt ist unsere Zeit angebrochen.

Wir Frauen sind ja recht harmoniebedürftig. Nein, genauer gesagt geben wir vor, harmoniebedürftig zu sein und ihr Männer seid es, die jeden Streit provozieren. Ein kleines Beispiel aus dem Alltag: Er hat auch einmal eingekauft und kommt stolz aus dem Supermarkt nach Hause. Sie packt die Lebensmittel aus, während er auf das Lob wartet.

Sie: Was hast Du denn da eingekauft?

Er: Kartoffeln. Das hattest Du doch auf den Einkaufszettel geschrieben.

Sie: Aber nicht DIESE Kartoffeln. Ich wollte die Biokartoffeln.

Er: Auf dem Zettel stand nur Kartoffeln. Ich konnte nicht wissen, dass Du Biokartoffeln wolltest.

Sie: Die isst Du doch auch immer mit. Dann musst Du das wissen. Aber Du bist ja mit Deinen Gedanken immer woanders. Es interessiert Dich gar nicht, was ich möchte.

Er (macht schon ein besorgtes Gesicht, weiß ganz genau, was gleich wieder kommt und möchte die Lage beruhigen): Schatz, das ist doch gar nicht wahr. Ich wusste nur nicht, dass Du Biokartoffeln wolltest. Es tut mir leid. Das nächste Mal bring ich Biokartoffeln mit, okay?

Sie: Nächstes Mal. Das sagst Du immer und dann? Dann bringst Du doch wieder das Falsche mit. Weil es Dich einfach nicht interessiert.

(Spätestens jetzt würde jeder Mann liebend gerne fluchtartig das Haus verlassen. Denn jetzt vergisst die Frau gerne, dass sie eigentlich harmoniebedürftig ist und kramt uralte Geschichten aus.)

Sie: Das war schon immer so. Schon als wir geheiratet haben. Ich hab mir zum Geburtstag diesen Ring gewünscht, aber Dich hat das gar nicht interessiert.

Er: Du hast mir ein halbes Jahr zuvor, als wir an einem Schaufenster vorbeigegangen sind gesagt, dass der Ring ganz hübsch ist.

Sie: Siehst Du, ich hab es Dir gesagt, aber nein, Dich interessiert das ja nicht. Stattdessen schenkst Du mir diese Kette.

Er: Ich dachte, Du magst die Kette. Du trägst sie doch heute noch.

Sie: Ja, um Dir einen Gefallen zu tun. Wie konnte ich Dir nur heiraten? Warum habe ich nicht auf meine Mutter gehört?

Soviel zum Thema: Frauen sind harmoniebedürftig.

Jedenfalls sind wir das offiziell – und kein Mann sollte es wagen, das Gegenteil zu behaupten.

Zurück zur Bibel. Die ist jetzt also weiblich. Eine Bibelin sozusagen. Wir sehen einmal darüber hinweg, dass im hebräischen und altgriechischen Originaltext ganz andere Dinge stehen, als in der Übersetzung der Bibelin.

Denn die Übersetzerinnen waren doch geschockt, was sich Luther – dieser Wüstling! – erlaubt hat zu übersetzen. Schreibt er doch tatsächlich: „Die Alten“. Das kann nur ein Mann machen. Frauen schreiben da lieber – ungeachtet des Originaltextes: „die früheren Generationen“. Das klingt netter.

Ein kurzes Beispiel aus Lukas 1. Kapitel. „Zu der Zeit des Herodes, des Königs von Judäa, lebte ein Priester von der Ordnung Abija, mit Namen Zacharias, und seine Frau war aus dem Geschlecht Aaron und hieß Elisabeth. Sie waren beide fromm vor Gott und lebten in allen Geboten und Satzungen des Herrn untadelig. Und sie hatten kein Kind; denn Elisabeth war unfruchtbar und beide waren hochbetagt.“ Warum schreibt Luther hier eigentlich ganz gentlemanlike „hochbetagt“? Sonst ist er ja auch nicht so nett? Das haben sich die Übersetzerinnen auch gedacht. Und noch mehr, denn sie schreiben: „Es geschah in den Tagen des Herodes, als er König von Judäa war. Da lebte ein Priester namens Zacharias aus der Dienstabteilung des Abija und seine Frau, eine der Töchter Aarons, und ihr Name war Elisabet. Beide waren gerecht vor Gott, die lebten in allem nach den Gesetzen und der Gerechtigkeit der Lebendigen, ohne zu klagen. Sie hatten kein Kind, da Elisabet unfruchtbar war, und beide waren schon alt.“ Sie waren alt. Aber aus den Alten werden „die früheren Generationen“. Das erweckt ein wenig den Anschein, dass die Damen um jeden Preis etwas anderes als Luther haben wollten.

Ist Ihnen eigentlich aufgefallen, dass Gott mitten in diesen Versen sein Geschlecht wechselt? Oder tut er das gar nicht und es handelt sich um zwei Gottheiten?

„Beide waren gerecht vor Gott, die lebten in allem nach den Gesetzen und der Gerechtigkeit der Lebendigen.“

Sind Gott und die Lebendige verheiratet? Der griechische Text sagt hier: qeoj und kurioj , also Gott und Herr.

Das letzte Beispiel ist Ihnen allen geläufig. In jedem Gottesdienst wird das Vater Unser gebetet.

„Vater unser im Himmel…“ beten wir.

Luther hat diese Anrede im Matthäusevangelium wie folgt übersetzt: „Unser Vater im Himmel…“

Damit ist er nah am Originaltext geblieben. In diesem fehlt zwar das Hilfsverb „sein“, aber das kommt öfter vor im Griechischen. Wörtlich übersetzt steht im Novum Testamentum Graece: „Vater unser, der im Himmel…“, ergänzt gehört die entsprechende Form von „sein“.

Die 42 Frauen und 10 Männer sind sich allerdings einig geworden, dass man mehr im Himmel braucht, als nur einen Vater.

„Du, Gott, bist uns Vater und Mutter im Himmel…“ Als Gebet mag diese freie Interpretation zwar möglich sein, als Anfang des Vater Unsers, der sich nicht einmal mit dem Originaltext deckt, ist diese Form zu weitläufig. Vater und Mutter. Wo ist die Trinität? Ist Gott nicht mehr alleiniger Gott, sondern hat eine Frau oder treue Gefährtin, die Göttin Mutter?

Eine weitläufige und wie Sie merken, gefährliche Interpretation, denn ein unaufmerksamer Leser sieht hier den Monotheismus in akuter Gefahr. Die Trinität muss auch angezweifelt werden. Vater, Sohn, Heiliger Geist – das ist Geschichte. Jetzt gibt es Vater, Mutter, Sohn und den Heiligen Geist.

Frauen haben also die Bibel übersetzt und nicht nur das. Politisch korrekt und emanzipiert ist sie jetzt und die erste Auflage war in kürzester Zeit vergriffen.

Aber wie weit darf man bei einer Übersetzung gehen? Natürlich ist jede Übersetzung auch ein Stück weit Interpretation des Textes. Dabei gibt es jedoch Grenzen.

Darf man aus Männern Frauen machen? Darf man etwas abschwächen, obwohl es viel krasser im Original steht? Darf man sogar den Sinn verändern?

Stellen Sie sich vor, in ein paar Jahren setzen sich wieder einige Personen zusammen, wieder mit dem Ziel, die Bibel zu übersetzen. Diesmal sind es allerdings besorgte Eltern, die gehört haben, was ihre Kinder im Religionsunterricht lernen. Daraufhin haben sie sich diese Bibel – oder auch die Bibelin – gekauft und gelesen. Sie kommen zu dem Ergebnis, dass die Bibel zwar ganz unterhaltsam ist, aber viel zu grausam. Sie übersetzen also und interpretieren und formulieren und schreiben und siehe da: Eine neue Bibel ist entstanden.

Der Pharao lässt nicht alle hebräischen männlichen Neugeborenen töten, sondern verteilt emsig Verhütungsmittel.

Hiob verliert nicht alles und wird krank, weil Gott eine Wette mit dem Teufel abschließt. Er hat ein Verhältnis mit seiner Magd, lässt sich ihretwegen scheiden, geht nach Jerusalem und gründet eine große Firma. Als stinkreicher Millionär setzt er sich bald darauf zur Ruhe.

Und auch Jesus wird nicht gekreuzigt. Er hat paar Probleme mit einigen Leuten und wird erschossen. Seine Gang aber – bestehend aus 12 tapferen Kämpfern – hat ihn mit einer kugelsicheren Weste ausgestattet, sodass Jesus überlebt. Das können sich die Kids viel besser vorstellen. Mit der Himmelfahrt ist das ja auch so eine Sache. Lösung: Das hat ein Junkie im Drogenrausch geschrieben.

Irgendwann wird man der Bibel ihren Sinn genommen und die Geschichten so verändert haben, dass sie keine Bedeutung mehr haben. Die Bibel wird nur noch ein Buch sein, das irgendwo in Regalen verstaubt.

Ist die Bibelin wirklich das, was die Welt gebraucht hat? Ich sage nein. Frauen haben bereits in der Bibel besondere Rollen. Waren es denn nicht die Frauen, die am Ostermorgen das leere Grab fanden, denen der Engel erschien und die die frohe Botschaft der Auferstehung verkünden durften? Das Leben Jesu und das Wissen um die Auferstehung sind die Basis unserer Kirche. Vorhin haben wir es gemeinsam gesungen: „ Die Kirche steht gegründet allein auf Jesus Christ, sie, die des großen Gottes erneute Schöpfung ist.“

Darauf gründet sie sich und wir Gläubigen vertrauen darauf. Das steht in der Bibel, da braucht es keine neue feministische Übersetzung. Was wäre denn gewesen, wenn die Frauen nichts erzählt hätten?

Es spielt keine Rolle, wie viele Frauen in der Bibel erwähnt werden. Viel wichtiger ist, von was die Bibel erzählt. Von Gott. Von seinem eingeborenen Sohn. Vom Heiligen Geist und von Menschen, die zweifelten, die suchten, die verfluchten und die zum Glauben und zu Gott fanden. Von der Barmherzigkeit Gottes, der Auferstehung Jesu und dem Beistand des Heiligen Geistes, dessen wir uns gewiss sein können.

Der Glaube an Gott ist das Wichtige und seine grenzenlose unbegreifliche Gnade. Nicht die Frage nach der Anzahl der erwähnten Frauen in der Bibel.

Wir sollten uns wieder auf das Wesentliche besinnen. Auf Gott und auf den Glauben an ihn.

Am Mittwoch beginnt die Passionszeit. Eine gute Zeit, um wieder einmal in sich zu gehen, zur Ruhe zu kommen und sich klar zu machen, dass Gott asexuell ist und der Glaube an ihn uns trägt. Ob wir männlich oder weiblich sind, Gott liebt uns.