Satin
Er war leise gegangen, denn er hatte sie nicht wecken wollen. Ein letzter sehnsüchtiger, liebender Blick.
Da lag sie. Schön wie immer, friedlich, mit geschlossenen Augen. Die Bettwäsche war frisch, er konnte den Duft des Waschmittels riechen. Weit und bunt und fröhlich wie eine Sommerwiese. Nur deshalb hatte sie es ausgesucht. Satinbettwäsche, weil sie den sanften Stoff auf ihrer nackten Haut liebte. Verführerisch dunkelrot mit einem schwarzen Laken. Aufregende Nächte hatten den Stoff zerknittert und lüsterne Schreie waren von ihm aufgefangen worden. Den Schweiß von langen, anstrengenden und nie enden sollenden Liebesakten hatte er aufgenommen. Satinbettwäsche war Sexbettwäsche bei ihr und die schwarzen Laken hatten manche Flecken erfolgreich eingehüllt in dunkles Schweigen, andere versagend angeprangert. Sie war eine Affäre, aber das war sie gerne. Hatte genau das gesucht. Eine sündige Affäre für die harten Stunden, wenn der Job mal wieder zu anstrengend und der Ehemann zu unerbittlich geworden war. Er war ein Spielzeug gewesen, das sie sich geleistet hatte. Eine teure, aber unauffällige Wohnung in der Großstadt war zum Liebesnest mutiert. Extra angemietet für diese Affäre. Geschmackvoll eingerichtet. Ein Designerbett in Übergröße, die passende Matratze dazu. In einem Schrank in Zimmer Nr. 1 lag die Bettwäsche. Daneben Spielzeug, das vom Hauptspielzeug bespielt werden sollte. Zimmer Nr. 2 enthielt ein vollständig eingerichtet Wohnzimmer mit Sitzgarnitur, Designertisch und einer teueren Heimkinoanlage. Das Regal an der einen Wand war vollgestellt mit DVDs. Auf der gegenüberliegende Seite das Panoramafenster mit perfektem Blick auf die Stadt. Zimmer Nr. 3 war ein Badezimmer mit allen Schikanen, inklusive Whirlpool. Zimmer Nr. 4 war eine Hightechküche, in der etwas anders gekocht wurde. Das letzte Zimmer, Nr. 5, war nicht der Rede wert. Holz, Satin, Metall. Das Übliche.
Seine Aufgabe war es, ihren Spieltrieb zu befriedigen. Ihr Wunsch war ihm Befehl. Die Treffen fanden in unregelmäßigen Abständen statt. Immer wenn sie anrief, musste er Zeit haben - und er hatte Zeit. Nur für sie. Er hatte einen Schlüssel für die Wohnung, war immer vor ihr da und wartete darauf, dass sie abgehetzt, gestresst, aber mit diesem geilen Lächeln auf den Lippen endlich die Türe aufschloss.
Die besondere Affäre, die beide gesucht hatten. Sie zahlte ihm so viel, dass sein Job als Türsteher nur noch Zeitvertreib war. Der starke Mann, gut gebaut, streng, hart und kräftig. Wie sie es wollte. Kein Mann für's Leben, denn sie hatte einen braven, strebsamen Ehemann zu Hause sitzen, der arbeitete und auf sie wartete und seinen Kinderwunsch begraben hatte.
Wer sie in ihrem Leben außerhalb der Wohnung war, wusste er nicht. Es zählte auch nicht. Innerhalb der Wohnung war sie die Frau, die sich nur hingeben wollte. Ganz und gar. Im Laufe der Zeit hatte er herausgefunden, was sie mochte.
Bevor er an diesem Tag die Wohnung verließ, hatte er überlegt, ob er saubermachen sollte, diesen Gedanken aber schnell wieder verworfen. Nicht sein Job. Außerdem wollte er es anderen nicht zu einfach machen. Er hatte ihr gegeben, was sie wollte, war ihr Spielzeug gewesen, hatte fünf Jahre lang mit ihr eine kleine, geheime, dominante Affäre gelebt.
Als er an diesem Morgen die Wohnung verließ, hinterließ er das typische, sexuell geprägte Chaos. Der Spielzeugschrank in Zimmer Nr. 1 war leer geplündert. In der ganzen Wohnung fand es sich wieder. Die Messer in der Küche, zusammen mit dem erkalteten Wachs von den schwarzen und dunkelroten Kerzen, das daneben getropft war, als er das heiße Wachs auf ihrer nackten Haut hart werden ließ, bevor er es mit scharfen Messern oder kleinen Dolchen entfernte. Zimmer Nr. 3 war immer noch Zeuge davon, wie sie ihn geleckt hatte und seinen Urin aufgesaugt hatte. Auf dem Flachbildschirm im Wohnzimmer liefen in Endloschleife Szenen mit ihr. Einer der datierten Filme aus dem Regal. Jedes Treffen war gefilmt worden. Jeder Film war angesehen worden. Nr. 5 war der eigentliche schreckliche Ort gewesen bei diesem Treffen. Sie war nicht so fügsam gewesen, wie er sie hatte haben wollen. Ja, in ihren Augen hatte er es gesehen. Sie hatte keine Angst mehr vor ihn. Es war keine Lust mehr da, nicht mehr das sehnsüchtige Verlangen nach ihm, nach seinen Befehlen. Der Spaß war verflogen, den sie hatte, wenn sie seine Sklavin sein durfte. Er hatte die Angst sehen wollen. Er hatte sie wieder schreien und flehen hören wollen. Also hatte er sie geschlagen mit Rohrstock und Reitgerte. Er hatte sie bestraft, weil sie böse gewesen war, weil sie einfach nicht mehr hörig genug war. Als sie geblutet hatte, hatte er sie gefesselt und in den Sarg gelegt. Der teure Sarg mit dem weißen Satin. Nie war dort Schmutz hineingekommen. Sie hatte oft darin gelegen, aber heute badete sie zum ersten Mal in Blut und der Satin färbte sich sterbendrot.
Er war in Zimmer Nr. 2 gegangen und hatte sich die DVD vom letzten Mal angesehen. Sich selbst befriedigt. Gedöst. Wie lange er sie in der ungewissen Dunkelheit gelassen hatte, wusste er nicht. Aber er öffnete den Sarg und sah, dass ihre Augen geschlossen waren und sie - schlief. Einen unschuldigen Dornröschenschlaf. Er riß sie hoch, schlug ihr ins Gesicht, zerrte sie aus dem Sarg und kettete sie an. Verschlafen wirkte sie und ruhig. Sie sprach mit ihm! Wagte es, ihn, den Meister anzusprechen! Sie hatte keine Angst. Gewusst habe sie, dass er sie befreien würde aus der dunklen Gefangenschaft. Der Rohrstock fühlte sich besser an denn je in seiner Hand. Er knebelte sie. Schlug zu. Schlug zu und schlug und schlug erneut und immer wieder schlug er zu. Das Blut trat aus den klaffenden Wunden hervor. Leise hörte er ersticktes Wimmern. Sie wollte sprechen, wollte ihm etwas sagen! Er schlug zu. Fünf Jahre und sie hatte keine Angst mehr vor ihm und keinen Respekt! Er schlug zu. Fünf Jahre und es sollte vorbei sein! Er schlug zu. Fünf Jahre und er wollte endlich zeigen, dass es nicht nach ihren Wünschen ging! Dass es nicht danach ging, was sie sich wünschte und was sie ihm vorher befohlen hatte mit ihr zu tun!
Ihre Hände hingen schlaff in den Fesseln an der Wand. Der Körper hatte jede Spannung verloren. Sie röchelte. Überall klebte Blut. Er nahm ihr den Knebel ab. Seiner Gönnerin, seiner Sklavin, seiner Liebe - die ihm niemals gehörte.
Vorsichtig legte er sie auf das breite Desingerbett in Zimmer Nr. 1. Er drückte ihr die Augen zu und hielt ihre Hand. Ihr Meister war bei ihr. Sah sie schlafend in dunkelroter Satinbettwäsche.
Er war leise gegangen, denn er hatte sie nicht wecken wollen. Aber er hätte die Türe auch zuknallen können. Sie war tot.
2 Comments:
WOW!!! Nahezu perfekt (Ich sag jetzt mal "nahezu", damit immer noch ein Ansporn zur Verbesserung da ist, auch wenn mir jetzt kein guter Grund dafür einfällt ;-))
Ich habe die Story gleich zweimal hintereinander gelesen, wollte sie zweimal lesen, musste sie zweimal lesen. Bei der Beschreibung der einzelnen Zimmer wusste ich noch nicht so genau, worauf du hinaus willst. Aber als du dann den eigentlichen Zweck beschrieben hattest, musste ich nochmal zurück und sehen, wie sich die Teile zusammenfügen. Das ist es, was für mich eine besondere Geschichte ausmacht, wenn man sie unbedingt nochmal lesen will.
Aber manchmal machen mir deine Geschichten auch Angst...
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