Donnerstag, Januar 20, 2005

Verzeihen - VIII

Es war vorbei. Für immer. Niemand glaubte mir. Ab jetzt würde jeder mit mir machen dürfen, was er wollte, denn ich kann nie wieder jemanden anzeigen, weil mir wieder niemand glauben wird. Eine Aussicht, die mich anfangs fertig machte, schockierte und als vogelfrei erklärte. Ich entwickelte einen krankhaften Verfolgungswahn und einen unbändigen Hass. Nun schminkte ich meine Augen immer dunkel - ein Schutz, eine Maske und gleichzeitig ein Spiegel meiner Seele. Ich zog mich zurück und hatte eine Höllenangst um mich selbst, dass ich mir etwas antun könnte. Zum Teil war ich wohl unausstehlich.
Ich fühlte mich verraten, schrecklich verlassen und alleine und wusste nicht mehr, was ich tun soll. Die Akte erschien mir als ein einziges Dokument von Lügen. Alles Lügen, Verrat, Beschönigungen. Bis jetzt hab ich mich nicht davon erholt.
Es hat viel verändert. Mein Selbstwertgefühl hatte zeitweise so stark darunter gelitten, dass ich alles getan hätte, was ich aber dennoch nicht tat. Zum Glück.
In mir erwachte ein unbezähmbarer Rachegedanke, ein Gedanke an Selbstjustiz und körperlicher Gewalt gegen ihn. Die Gedanken sponnen sich weiter und nahmen immer buntere Farben an. Irgendwann wurde mir klar, dass Selbstjustiz keine Lösung ist, aber die einzige Gerechtigkeit. Die Gedanken leben in meinem kranken Hirn und ich würde ihn gerne nackt durch den Ort treiben - eine Art Spießrutenlauf - und dann in aller Öffentlichkeit quälend langsam und grausam kastrieren. Es würde nichts ändern, natürlich macht das nichts rückgängig und wirklich helfen würde es auch nicht. Aber ich wünsche mir, dass er ich auch mal so klein und hilflos fühlt, dass er sich auch mal nicht wehren kann, Angst hat, sich schutzlos fühlt. Er soll im Staub kriechen, den Boden lecken, auf dem ich stehe und um Gnade und Verzeihung betteln. Ganz unchristlich, ich weiß. Und ich weiß auch, dass diverse Möchtegernpsychologen und Kripobeamten jetzt wieder denken: Och, die Kleine ist doch vergewaltigt worden und hat sich nicht getraut, das damals zu sagen und ihm dann diese Geschichte angehängt. Full Ack! Nein. Habe ich nicht. Aber ich habe Menschen zugehört, die diese Scheiße durchmachen mussten. Und ich hab einen so großen Hass in mir, dass ich teilweise platzen könnte.
Es wird vorbeigehen, sicherlich. ICh werde ihm auch gewiss verzeihen - eines Tages, irgendwann.
Bis dahin werde ich zwischen Hass und Schuld leben, Kämpfe mit mir selber ausfechten und an dem alten Punk-Spruch festhalten: "ICh glaube eher an die Unschuld einer Hure, als an die Gerechtigkeit der deutschen Justiz!". Klingt hart, ist hart - aber wahr.
Es wird mir besser gehen - irgendwann. Er wird nicht mehr meine Gedanken bestimmen, meine Nächte, die Dunkelheit. Er wird nicht mehr die Kirche bestimmen, nicht mehr in den Räumen sein. Er wird mich nicht mehr bestimmen.
Und dann werde ich ihm verzeihen ... irgendwann.