Samstag, März 26, 2005

Ostern

Morgen ist Ostern.
Ein wundervolles, hoffnungsvolles Fest, auf das ich mich eigentlich immer gefreut habe. Es ist Frühling, die Sonne geht strahlend und glänzend über dem See auf und die Vögeln singen laut und fröhlich. Es ist anders als Weihnachten, festlicher, schöner. Vielleicht, weil dieses Fest eine doch ganz andere, tiefgründigere Bedeutung hat. Die Überwindung des Todes. Eine tröstliche Vorstellung und die einzige Hoffnung, die wohl sicher nicht enttäuscht wird. Zumindest hoffe und glaube ich das.
Dennoch: So richtig darauf freuen kann ich mich nicht. Es ist Ostern - eine Erinnerung. Zwei Jahre. Nur das Fest, nicht das Datum. Und wieder werde ich im Dunkeln die Kirche betreten und sie im Hellen verlassen. Und wieder werde ich beim Frühstück helfen und aufräumen. Und wieder werde ich am Ende alleine in dem abgefressenen Saal stehen und ihn vor mir sehen und mich genauso angeekelt und nackt fühlen. So hilflos ohne Schutz. Ich werde ihn an der gleichen Stelle stehend sehen mit der gleichen auffordernden Geste: Mach es, fass ihn an. Es wird ein kurzes, nachhaltiges Deja vue sein, das alles wieder schlimmer macht.
Ostern - eine Erinnerung, die schmerzt.

Mir schrieb jemand, dass er gerne verstehen würde. Warum mir die Staatsanwaltschaft nicht geholfen hat. Weil sie es nicht konnte oder wollte. Weil für sie nicht bewiesen war, dass ich die Wahrheit sagte, weil für die Staatsanwaltschaft alles nur gelogen und erfunden war. Weil für die Staatsanwaltschaft so eine Anzeige nur ein Klotz am Bein ist und für die nur das Schauspiel zählt, das einer veranstaltet und das hat nun mal der Täter und nicht ich. Es kommt immer darauf an, dass einer eine Szene macht, schreit, heult, weint, verflucht. Das habe ich nicht. Ich war äußerlich recht ruhig und habe erzählt, was passiert ist. Ich kann meine Gefühle außen vor lassen, wenn ich sachlich sein soll und das sollte ich bei der Polizei sein. Abgesehen davon schreibt die Polizei im Vernehmungsprotokoll nie das, was man sagt, sondern das, was besser klingt und zum Fall passt und was sie hören will. Du unterschreibst das trotzdem, weil Du keine andere Wahl hast. So ist das mit der Polizei.
Nun, somit wäre auch die nächste Frage geklärt: Warum wurde die Anklage niedergeschmettert. - Ich finde den Ausdruck toll und passend. Offizielle Begründung der Staatsanwaltschaft: Aus Mangel an Beweisen und Zeugen und wegen mangelnder Glaubwürdigkeit der Anzeigenerstatterin. Ich bin vogelfrei. Mit mir kann jetzt jeder Mann machen, was er will, denn ich kann mich nicht mehr wehren. Zumindest nicht auf rechtlichen richtigem Wege. Wenn ich jemanden anzeige, wird diese Akte herangezogen und ich bin unglaubwürdig. Mir bleibt nur noch die Selbstjustiz. Und er? Nun, wenn er jemandem etwas tut, muss dieser Jemand erstmal den Mut haben darüber zu reden - und wer hat den Mut? Zu wenige.
Warum ist das alles passiert? Weil es tagtäglich passiert und niemand etwas dagegen tut. Weil die Opfer zu oft mißachtet und mißbraucht werden, weil sie kein Gehör finden. Weil zu viele Tussen schon zu oft Unschuldige aus Rache angezeigt haben, damit sie ihrem Exfreund eins auswischen können. Weil man durch all diese Taten und Míßachtungen sexuelle Belästigung, sexuelle Nötigung, Mißhandlungen und Vergewaltigung legalisiert hat. Weil alle wegsehen und keiner damit zu tun haben will, weil es unangenehm ist. Weil die Opfer sich schuldig fühlen, und dreckig, weil sie sich schämen und niemanden haben, zu dem sie gehen können, dem sie sich anvertrauen können, weil sie niemals wissen, wer ihnen wirklich glaubt und ihnen Gehör schenkt.
ICh weiß nicht, ob dies hier die richtige Plattform ist, ich habe sie gewählt, weil es die einzige Chance war zu reden und weil die Öffentlichkeit gut tut, auch wenn es keiner liest, der es lesen sollte. Es ist besser als ein Buch und besser als die BILD-Zeitung....