Mittwoch, Januar 02, 2008

"Ich lebe und ihr sollt auch leben!"

ePredigt gehalten am 1.1.2008 im Wohnstift Rathsberg / Erlangen



10Ich bin aber hoch erfreut in dem Herrn, daß ihr wieder eifrig geworden seid, für mich zu sorgen; ihr wart zwar immer darauf bedacht, aber die Zeit hat's nicht zugelassen. 11Ich sage das nicht, weil ich Mangel leide; denn ich habe gelernt, mir agenügen zu lassen, wie's mir auch geht. 12Ich kann niedrig sein und kann hoch sein; mir ist alles und jedes vertraut: beides, satt sein und hungern, beides, Überfluß haben und Mangel leiden; b 13ich vermag alles durch den, der mich mächtig macht. c (Philipper 4)
Amen.
Liebe Gemeinde,
vor wenigen Stunden wurde das neue Jahr lautstark und farbenfroh begrüßt. Überall auf der Welt haben Menschen ihr Geld in ein Feuerwerk investiert, das nur kurze Freuden verspricht, aber fest zu einem richtigen Silvester dazugehört. Genauso wie der Alkohol, an dem es auf vielen Feiern nicht mangelte. Das neue Jahr ist da, die bösen Geister sind hoffentlich erfolgreich verdrängt worden durch jeden einzelnen lauten Kracher, der vergangene Nacht gezündet worden ist. Das ist eigentlich der Sinn dieses Silvesterfeierns und des Feuerwerks. Alle bösen Geister, alle Dämonen sollen vertrieben werden, damit das neue Jahr gut werden kann. Damit es wenigstens die Chance dazu bekommt. Ob es ein erfolgreiches Unternehmen war, werden wir erst in einem Jahr wissen.
Es ist also endlich da. 2008. Mit allen guten Vorsätzen und allen schlechten Angewohnheiten. Was steht denn da so auf manchen Listen? Das Rauchen aufhören, endlich abnehmen, netter sein, fleißiger werden und sich vielleicht mal wieder bei Menschen aus längst vergangenen Tagen melden.
"Ihr ward zwar immer darauf bedacht, aber die Zeit hat's nicht zugelassen." Was Paulus vor vielen, vielen Jahren an die Philipper geschrieben hat, ist uns heute doch gar nicht so fremd. Da geht es zwar nicht um die finanzielle Unterstützung und nicht um erfolgreiche Mission, aber manchmal vergessen wir trotzdem einen Menschen. Kein Anruf, kein Brief oder gar eine e-Mail, wie das in den modernen Zeiten gehandhabt wird. Nein, vielleicht einmal zum Geburtstag eine kurze SMS per Handy. Neumodisch, schnell, unpersönlich, aber das wichtigste ist doch gesagt. Und ehe man sich versieht, sind die 365 Tage des Jahres 2007 schon wieder verlebt und 2008 ist da. Ohne, dass man sich bei einem lieben alten Freund gemeldet hat. Ohne, dass man sich auch nur mal eine halbe Stunde Zeit für einen lieben Brief oder ein kurzes Telefonat genommen hat, um sich mal wieder zu melden und dem anderen zu sagen: Du bist mir wichtig.
Die Welt dreht sich schneller, so scheint es jedenfalls. Die Zeit wird immer knapper, man schafft gar nicht mehr all das, was man wirklich tun möchte. Wir vernachlässigen all unsere sozialen Kontakte, sind gereitzt und malen die ganze Welt und alle Zukunft in dunkelstem Schwarz. Da sind Kriege, die unsere Welt erschüttern und oft genug junge Menschen überlegen lassen, ob sie "in so eine Welt" überhaupt noch Kinder setzen wollen. Und die, die es dann doch tun, die sich für ein Kind entscheiden, vernachlässigen es. Da war es doch wieder, an den Weihnachtstagen. Die schreckliche Meldung, dass an diesem Fest für Kinder drei von ihnen ihr Leben geben mussten, weil die Eltern es so wollten. Im Schnitt sind 2007 allein in Deutschland 2 Kinder pro Woche getötet worden. Nicht durch Krankheiten, nicht durch einen Krieg, nein, durch die Willkür der Eltern. Wie krank ist diese Welt geworden?
Wenn Paulus schreibt: "Ich sage das nicht, weil ich Mangel leide; denn ich habe gelernt, mitrgenügen zu lassen, wie's mir auch geht." Dann sollte uns dieser Satz als Vorbild dienen. Die ältere Generation weiß noch, was wirklicher Mangel ist. Der Zweite Weltkrieg ist nicht spurlos an ihnen vorübergegangen. Es war eine schlimme Zeit und es mangelte an vielem. Aber die Familien haben zusammengehalten, die Menschen waren in mancher Hinsicht vernünftiger. Heute mangelt es den Menschen in Deutschland nicht an Nahrung und an Geld und einer Unterkunft. Eigentlich geht es uns gut. Klar, man möchte mehr Geld haben, weniger bezahlen, Reichtümer anhäufen, man möchte sich messen in einem sinnlosen Konkurrenzkampf mit anderen. Aber es mangelt den Jungen nicht an Geld oder Sicherheit, sondern an viel grundlegenderen Dingen: Es mangelt ihnen an Vernunft, Toleranz und der Erkenntnis, dass nicht immer alles so läuft, wie sie es sich wünschen, aber man auch in den sogenannten schlechten Zeiten zusammenhalten und stark sein muss. Es geht nicht, dass man immer sofort aufgibt, wenn es mal nicht so läuft, sich beim kleinsten Streit scheiden läßt oder die Kinder tötet. Gerade die Kinder haben ein Recht auf Leben und sie sind unsere Zukunft!
Und Jesus Christus spricht: "Ich lebe und ihr sollt auch leben!". Passenderweise ist dies die Jahreslosung für 2008. Hoffen wir also auf die Vernunft der Menschen und die Rückbesinnung auf das wirklich wichtige.
Was wird das neue Jahr bringen? Gutes oder Schlechtes? Nur schöne Stunden oder auch einige traurige Momente? Wir wissen es nicht und das ist gut so. Schließlich wären wir doch recht arm, wenn wir alles im Voraus wüßten. Wir könnten nicht mehr leben, sondern würden nur noch existieren.
Fassen wir also erneut unsere guten Vorsätze und warten ab, was passieren wird. Lassen wir uns freudig auf alles ein, was Gott und beschert. Denn wir vermögen alles durch den, der uns mächtig macht.
Etwas möchte ich als Wunsch mit auf den Weg geben:
Jedem Tag ein kleines Glück
ohne Sorge abgewinnen,
jeden frohen Augenblick
in das goldene Netz zu spinnen
heiterer Erinnerung.
Jede Stunde sich im Glanze
reiner Gegenwart versenken,
dennoch auf das schöne Ganze
immerfort den Blick zu lenken -
Wer's vermöchte, bliebe ewig jung.
Was Hermann Hesse in seinem Gedicht anspricht, das wünsche ich Ihnen.
Achten Sie einmal darauf in diesem Jahr´an jedem Tag: Was war heute das kleine Glück für mich?
Welchen schönen Augenblick habe ich gerade erlebt?
Wir leben jetzt und sind auf einer langen Reise gerade an diesem Ort angekommen - die Vergangenheit ist nicht vergessen, und trotz allem Schmerz: Sie war schön und sie hat uns geprägt.
Denken Sie einmal an alte Freunde aus vergangenen Tagen - vielleicht frischt ein kleiner Brief oder ein kurzer Anruf verstaubte Bekanntschaften wieder auf.
Und bei allem Schrecklichen, was auch in diesem Jahr durch die Nachrichten gehen wird, seien Sie gewiss: Gott ist immer dann am Nächsten, wenn er am weitesten entfernt scheint und er hält zu jeder Stunde seine schützende Hand über uns.
Gehen wir also in und durch dieses Jahr mit der Gewissheit der Liebe Gottes und der Zusage Jesu Christi: Ich lebe und ihr sollt auch leben.
Und der Friede Gottes, der höher ist als all unsere menschliche Vernunft bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus.
Amen.