Montag, Februar 09, 2009

Nicht körperlich

Er ging. Sie lag immer noch auf dem nasskalten Boden. Die Fließen waren kühl und feucht und das kleine Handtuch, das vor der Dusche lag, damit man nicht auf den Boden treten musste, war feucht und warm. Ein angenehmes Gefühl war es, dieses Handtuch unter sich zu haben. Mit Po und dem unteren Teil des Rückens darauf zu liegen. Man selber erhitzt und erregt und doch fröstelnd durch das offene Fenster und die geöffnete Türe, wodurch Durchzug entstand und fröstelnd, innerlich kalt und tot wegen der Erinnerung an das eben Geschehene.
Tot. Sie schloss die Augen. Tief durchatmen. Erst mal beruhigen.
Stumm liegen Tränen über ihre Wangen.
Ihre Beine waren fest zusammengepresst. So fest sie nur konnte, ohne dass es schmerzte. Die Hände waren eng an den Körper gedrückt und lagen mit den Handflächen nach unten auf den kalten Platten.
Krampfhaft versuchte sie, etwas zu spüren. Nicht körperlich. Seelisch.

Mein Massaker

Blut an den Wänden.
Panik in den Gesichtern.
Eine Maske, die mich schützt.
Die Waffe in meinen Händen.
Sie ist Schutz.
Mein Werkzeug.
Hilflos steht ein Opfer vor mir.
Sieht mich an.
Weit aufgerissene Augen.
Angst.
Keine Gedanken.
Kein Nachdenken.
Kein Gefühl.
Ich drücke ab.
Treffer.
Blut spritzt, Menschen schreien.
Ich ignoriere sie.
Sie haben Angst vor mir.
Respekt.
Ich bin wer.
In einem unbeobachteten Moment ziehe ich die Maske ab.
Ein Lehrer steht vor mir.
Ich habe keinen Schutz mehr.
„Schieß doch!“, sagt er.
Ich kann nicht, ich bin klein, feige.
Was habe ich getan?
Ich drücke ab.
Wollte nur einmal anerkannt sein.
Einmal berühmt.
Habe getötet.
Mich selbst erschossen.
Meine Rache.
Mein Versagen.
Mein Massaker.

Lilienstrauß

Sie malt gern Bilder von der Welt,
von riesen großen Männern und einem, der sie quält.
Und die Geschichte von sich selbst
hat sie bis heute noch keinem erzählt.
In einem Duschraum kalt und nass
hat er sie überfallen und alles angefasst.
Sie lebte weiter, körperlich,
und verhielt sich mörderisch.
Das Blut floss aus ihr heraus,
doch ihr Leben war niemals aus.
Sie hatte Angst und schämte sich,
in jedem Mann sah sie sein Gesicht.
Doch irgendwann, das ist ihr klar,
ist die Geschichte schon lang nicht mehr wahr.
Dann ist ihr Leben ausgehaucht,
sie schläft in Frieden unter einem Lilienstrauß.

Das Fieber

Ein junger Mann,
den sie nicht kannt’,
der gab ihr das Geleit.
In einem Duschraum nass und kalt,
da blieben sie zu zweit.
Sie war’n allein,
’s war keiner mit,
als sie von ihm geschändet ward
und weinend, zitternd litt.
Er hat sie berührt,
ohne Liebe sie verführt.
Er hat sie berührt,
genommen, was nicht ihm gehört.
Ein Monat und ein zweiter ging,
da tat’s schon mehr weh,
die Kälte kroch ganz langsam ihr vom Scheitel in den Zeh.
Und als der fünfte Monat kam,
gefror sie ganz und gar.
Das Fieber kam nicht mehr zurück
und grau wurde ihr Haar…

(in Anlehnung an den gleichnamigen Song von Subway to Sally)

Unbeschriebene Blätter

Unbeschriebene Blätter.
Leer und tot liegen sie vor mir.
Der Stift in meiner Hand will sie quälen.
Aber er quält eher mich.
Alles, was ich Dir sagen will, soll auf dieses Blatt.
Aber kein einziger Tintenfleck ist dort zu sehen.
Wie soll ich das ausdrücken?
Was will ich Dir sagen?
Gedanken sind gelähmt.
Gefühle haben die Macht ergriffen.
Vernunft und Verstand liegen in Ketten.
Meine Seele brennt.
Mein Herz verblutet.
Die Erinnerung an Dich quält.
So vieles möchte ich sagen, aber meine Hand gehorcht nicht.

Der Reiz des Neuen

Nein! Ganz einfach.

Von Dir kam doch immer die Frage: Alles okay?

Nein! Nichts ist okay, nicht ist in Ordnung.

Aber erspar Dir jeglichen Funken Mitleid.

Dein falsches Mitgefühl brauche ich nicht.

Sonst war Dir ja auch alles egal.

Du willst doch in Wirklichkeit gar nicht wissen, wie es mit geht. Fragst einfach nur so, um überhaupt etwas zu sagen. Haben wir uns nicht mal viel bedeutet? Es geht mir beschissen, falls es doch irgendwie zu Dir durchdringt. Deinetwegen geht es mir schlecht. Deinetwegen bin ich traurig, fühle mich schuldig.

Hast Du mich nie geliebt? War ich Dir immer egal und Du hast mir nur was vorgespielt? Warum?

Ich weine wegen Dir, um Dich. Siehst Du meine Tränen überhaupt?

Wenn ich Dir wirklich jemals etwas bedeutet habe, warum bist Du dann jetzt nicht hier, hältst mich in Deinen Armen und nimmst mir Trauer, Tränen, Schuldgefühle und Hass?

Ich hasse Dich! Ja, ganz tief und innig hass eich Dich! Warum schaffst Du es nur, mir jetzt immer noch weh zu tun? Jeder Gedanke an Dich, jeder Ort, an dem wir gemeinsam waren, ist mit so viel Schmerz verbunden.

Denkst Du überhaupt noch an mich?

Oder hast Du mich über den Reiz des Neuen schon vergessen?