Donnerstag, Mai 19, 2005

Meine Bühne

Es war mein Abschied in der Kirche. Ein Abschied von siebeneinhalb Jahren Ehrenamt, Leben, Stress, Streit, Freude, Spaß, Arbeit. Kein leichter Abschied.
Ich konnte dem Gottesdienst nicht richtig folgen und hing meinen Gedanken nach. Erinnerungen an den Anfang, an meine Konfirmation kamen wieder, Erinnerungen an gute und schlechte Zeiten in meiner Kirche, meiner Gemeinde, in meinem Leben hier. Es ist viel passiert und ich habe viel gelernt und vielleicht sogar die wichtigste Zeit meines Lebens hier verbracht. Wie leicht ist da der Abschied?
Ich habe angefangen als 13-Jährige, die ihre Bibel in Empfang nahm – und ging fort als 21-Jährige, die einen Katechismus bekam. Zwei wichtige Bücher, sieben wichtige Jahre.
Wie oft stand ich da vorne vor diesem Altar und habe gebetet, wie oft habe ich dort den Gottesdienst mitgestaltet, geputzt, Kerzen angezündet, das Abendmahl austeilen dürfen. Wie oft durfte ich Szenen spielen, durfte zur Gemeinde reden, als Laie, als Team. Wie viele dunkle Nächte verwandelten sich hier in strahlende Morgen?
Oftmals stand ich im Dunkeln dort, nur eine Kerze leuchtete mir meinen Weg, beleuchtete meinen Text und gab mir Halt.
Es war meine Bühne und ich war ihr Schauspieler. Es waren die Bretter, die die Welt bedeuten und ich war der Entertainer, der sie bestieg und zum Leben erweckten. Das wird mir klar. In einem kurzem Augenblick. Aber es reicht, um mir Tränen die Augen steigen zu lassen. Es war ein Bühnenstück, ein Broadwaymusical mitten in einem kleinen Ort, fernab von Broadway und Glamour, fernab von Medienrummel und Lärm.
Ich hatte Interviews gegeben und war in der Zeitung gestanden mit Bild wegen meiner Rolle hier. Ich hatte dafür gearbeitet und viel getan.
Was war ich gewesen?
Meine Rollen waren verschieden, sie hatten sich gewandelt.
Die Laienspielerin war Konfirmandin gewesen und Mentorin, die hatte gemesnert und war dadurch aufgestiegen. Ich hab geputzt, aufgeräumt, mir die Füße wund gelaufen und viel geschwiegen, zugehört und getan, was zu tun war. Einen Platz hatte ich mir erkämpft, mit harter Arbeit. Einen Platz im Herzen des Publikums. Irgendwann waren immer mehr Arbeiten und Aufgaben hinzugekommen, da kamen die Kritiker, da kamen die Fans, da kam das Gerede, ich würde nicht nein sagen können, mit mir könne man alles machen, da kam der Aufstieg in die Oberliga. Da kam der Platz im KV.
Gute Presse, schlechte Presse. Die kam auch, etwas später. Die Fans, die abfielen, die Bretter, die wankten, das Musical, das nicht mehr so viel einspielte.
Irgendwann fiel der letzte Vorhang.
Der Applaus und das Interesse an unserem Aufhören scheint dürftig.
Am Ausgang der Garderobe stehen sie, die Fans. Sie wünschen mir Glück auf dem weiteren Weg, sie bedanken sich. Es hat sich gelohnt. Ein Fan schenkt mir Blumen und begleitet mich ein Stück.
Meine Verabschiedung aus der Kirchengemeinde.

„The final curtain....“

And the winner is...

Ich hatte immer davon geträumt auch einmal einer dieser Gewinner zu sein. Dafür hätte ich alles getan. Mein Plan war zum Film zu gehen, Schauspielerin zu werden, nach Hollywood zu kommen und das Publikum und die Jury zu begeistern. Schließlich wollte ich eine begehrten Einladungen zur Oscar®-Verleihung bekommen und als eine der Nominierten auf dem großen Bildschirm erscheinen. Schon alleine die Nominierung ist Gold wert, sie hätte mir wohl viel ermöglicht und ich hätte noch mehr Angebote bekommen. Mein Ziel aber war es, dass der beste männliche Hauptdarsteller des Vorjahres meinen Namen sagte und ich unter Beifall die Stufen hochgehen und den goldenen Oscar® in Empfang nehmen konnte. Selbst die Rede stand schon in meinem Kopf eingebrannt und wollte nur noch gesprochen werden. Danken wollte ich meiner Familie, meinen Freunden, der Crew und allen – und schließlich meinen Rückzug aus dem Filmgeschäft bekannt geben. Diese Auszeichnung erschien mir das Höchste zu sein, was ein Schauspieler bekommen kann.
Doch diese Freude wurde getrübt bei der Verleihung 2004. Da sagte Peter Jackson etwas, was mir nicht gefiel.
Seitdem habe ich viel nachgedacht. Der Oscar® ist vielleicht die größte und glamouröseste Auszeichnung in diesem Geschäft und es wäre ja wirklich so toll ihn zu bekommen und es ist auch ein Meilenstein in einer Karriere, dagegen habe ich gar nichts einzuwenden, aber es ist nicht mehr mein Ziel.
Der Oscar® hat seine Bedeutung und seinen Glanz verloren für mich. Er ist eine Auszeichnung, eine neben vielen, aber nicht die Auszeichnung, die wirklich etwas bedeutet und wirklich wertvoll ist.
Schauspieler spielen nicht für eine Jury von Kollegen, sie spielen nicht für Auszeichnungen und Glamour. Wahre leidenschaftliche Schauspieler spielen, weil es ihnen Spaß macht, weil sie sich mit ihrer Rolle identifizieren können. Es kommt nicht auf die Auszeichnungen an oder das Geld, das ist nebensächlich. Es geht um Leidenschaft, um Spaß, um die Liebe zum Schauspielen.
Das Brot der Schauspieler ist der Applaus, hat mir mal jemand gesagt und er hatte recht, wie ich finde. Das Publikum ist grausam, es mag unterhalten werden und wenn es applaudiert, dann warst Du gut.
Die wahren Auszeichnungen sind das Lob des Publikums, die Zuschauerpreise, ein netter Brief von einem Fan, eine gute Kritik von einem Laien, ein Rüffel von dem Kinobesucher, der den neuen Film gerade gesehen hat.
Wir spielen für sie und nicht für eine Jury.
Gewinner ist jeder für den Augenblick und zugleich kann man im nächsten Augenblick Verlierer sein. Man ist abhängig vom Schüler, der in seiner Freizeit Filme sieht, vom Bäcker, der nach getaner Arbeit noch eine DVD ansieht, vom einfachen Zuschauer, der unterhalten werden will und gnadenlos bewertet.
Das sind die wahren Auszeichnungen, die wahren unverfälschten Bewertungen.

„And the Oscar® goes to...“ – denn “winner” oder “loser” sind sie alle.