Mittwoch, Januar 26, 2005

Ein ganz persönlicher Abschied

Die Nachricht klingt unwirklich aus den Lautsprechern meines Autoradios. Ein makaberer Scherz, wie ich erst denke, doch als ich kurz darauf zum nächsten Sender umschalte, höre ich die gleiche Nachricht.
„Der Modemacher Rudolph Moshammer wurde am Morgen tot in seinem Haus in Grünwald aufgefunden.“
Natürlich verfolge ich den ganzen Tag die Berichte im Radio und suche im Internet nach Informationen. Nichts aussagekräftiges.
Als der Mörder gefasst ist, stellt sich mir nur eine Frage – und wohl nicht nur mir: Warum?
Es scheint sinnlos und überflüssig. Ein Mensch wird grausam aus dem Leben gerissen und mit ihm verlieren andere Menschen für einen Augenblick eine Hoffnung. Denn wie wird es weitergehen ohne Mosi für seine Schützlinge? Das weiß niemand.
Stattdessen brüsten sich die Zeitungen mit täglich neuen Pseudoskandalen und Empörungen. Neue Berichte, neue Infos, neue Fakten – eines schlimmer und verleumderischer als das andere.
De mortui nihil nisi bene wird schnell vergessen und das gemeine Volk regt sich darüber auf, was ein Herr Moshammer so alles in seinem Privatleben gemacht hat. Es wird nicht vor der sprichwörtlichen eigenen Haustüre gekehrt, sondern öffentlich vor der Haustüre eines Promis.
Der Andrang vor der Lukaskirche in München ist groß, als der Mahagonisarg aufgebahrt ist. Alle wollen sie Abschied nehmen von einem Stück München.
„Irgendwie hat ihn jeder ein bisschen gekannt“, schreibt eine Journalistin in ihrem Artikel mit Eindrücken vom großen Abschied in der Lukaskirche.
Auch ich war da. Schon vor dem Andrang, ganz früh am Morgen. Es war mir ein Bedürfnis diesem Mann Lebewohl zu sagen. Mir einer weißen Rose, die neben den Sarg gelegt wird und einem Gebet, leise vor dem Sarg und im Angesicht des Kreuzes gesprochen.
Ich bin eine von denen, die den ‚Modezaren’ persönlich kannten und ihn geschätzt haben.
Eine eindrückliche Erscheinung, eine Inszenierung mit Herz – und eben ein Stück München.
Im Gegensatz zu den Scheinheiligen, haben mich die Enthüllungen über sein Privatleben nicht entsetzt. Es geht mich nämlich gar nichts an, was dieser Mensch privat gemacht hat. Dafür standen wir ihm allesamt nicht nahe genug – und selbst wenn: Was ist denn an seiner Homosexualität verwerflich? Wieso ist die Art, wie er sie auslebte so anstößig? Sind da nicht die, in den selben Zeitungen, die sich groß über Moshammers Privatleben auskotzten, stets kleingedruckten Artikel über Kinderschänder schlimmer und wirklich besorgniserregend?

Jetzt sind die Zeitungen wieder leer. Gefüllt mit anderen Berichten, ist Mosi aus den Zeilen gefallen und wird nur noch als stille Erinnerung erscheinen.


‚Wir sagen leise servus!’ – Ich auch. Servus und Danke!

Donnerstag, Januar 20, 2005

Verzeihen - VIII

Es war vorbei. Für immer. Niemand glaubte mir. Ab jetzt würde jeder mit mir machen dürfen, was er wollte, denn ich kann nie wieder jemanden anzeigen, weil mir wieder niemand glauben wird. Eine Aussicht, die mich anfangs fertig machte, schockierte und als vogelfrei erklärte. Ich entwickelte einen krankhaften Verfolgungswahn und einen unbändigen Hass. Nun schminkte ich meine Augen immer dunkel - ein Schutz, eine Maske und gleichzeitig ein Spiegel meiner Seele. Ich zog mich zurück und hatte eine Höllenangst um mich selbst, dass ich mir etwas antun könnte. Zum Teil war ich wohl unausstehlich.
Ich fühlte mich verraten, schrecklich verlassen und alleine und wusste nicht mehr, was ich tun soll. Die Akte erschien mir als ein einziges Dokument von Lügen. Alles Lügen, Verrat, Beschönigungen. Bis jetzt hab ich mich nicht davon erholt.
Es hat viel verändert. Mein Selbstwertgefühl hatte zeitweise so stark darunter gelitten, dass ich alles getan hätte, was ich aber dennoch nicht tat. Zum Glück.
In mir erwachte ein unbezähmbarer Rachegedanke, ein Gedanke an Selbstjustiz und körperlicher Gewalt gegen ihn. Die Gedanken sponnen sich weiter und nahmen immer buntere Farben an. Irgendwann wurde mir klar, dass Selbstjustiz keine Lösung ist, aber die einzige Gerechtigkeit. Die Gedanken leben in meinem kranken Hirn und ich würde ihn gerne nackt durch den Ort treiben - eine Art Spießrutenlauf - und dann in aller Öffentlichkeit quälend langsam und grausam kastrieren. Es würde nichts ändern, natürlich macht das nichts rückgängig und wirklich helfen würde es auch nicht. Aber ich wünsche mir, dass er ich auch mal so klein und hilflos fühlt, dass er sich auch mal nicht wehren kann, Angst hat, sich schutzlos fühlt. Er soll im Staub kriechen, den Boden lecken, auf dem ich stehe und um Gnade und Verzeihung betteln. Ganz unchristlich, ich weiß. Und ich weiß auch, dass diverse Möchtegernpsychologen und Kripobeamten jetzt wieder denken: Och, die Kleine ist doch vergewaltigt worden und hat sich nicht getraut, das damals zu sagen und ihm dann diese Geschichte angehängt. Full Ack! Nein. Habe ich nicht. Aber ich habe Menschen zugehört, die diese Scheiße durchmachen mussten. Und ich hab einen so großen Hass in mir, dass ich teilweise platzen könnte.
Es wird vorbeigehen, sicherlich. ICh werde ihm auch gewiss verzeihen - eines Tages, irgendwann.
Bis dahin werde ich zwischen Hass und Schuld leben, Kämpfe mit mir selber ausfechten und an dem alten Punk-Spruch festhalten: "ICh glaube eher an die Unschuld einer Hure, als an die Gerechtigkeit der deutschen Justiz!". Klingt hart, ist hart - aber wahr.
Es wird mir besser gehen - irgendwann. Er wird nicht mehr meine Gedanken bestimmen, meine Nächte, die Dunkelheit. Er wird nicht mehr die Kirche bestimmen, nicht mehr in den Räumen sein. Er wird mich nicht mehr bestimmen.
Und dann werde ich ihm verzeihen ... irgendwann.

Verzeihen - VII

Natürlich bemerkte die Gemeinde, dass etwas im Busch war und er war urplötzlich krank geworden. Der KV unterstützte dies, benutzte dies als Ausrede, weshalb er nicht mehr bei uns arbeiten würde und nicht mehr da war. Ich musste gute Miene zum bösen Spiel machen, ich durfte der Gemeinde nichts anderes sagen - und verdammt, es sprachen mich viele darauf an. Schließlich meinte ein Gemeindemitglied, er mache auf sie den Eindruck eines Alkoholikers. Da war es wieder. Der Alki. Und wieso ist das vorher nie jemandem aufgefallen? Weil es wohl keiner sehen wollte oder zumindest nicht darüber sagen wollte.
Später erfuhr ist, dass der KV auf einer Sitzung (siehe dazu Verzeihen VI) festgestellt habe, dass mehrere Mitglieder der Gemeinde den Verdacht hätten, er sei Alkoholiker und dass er sich ihnen zwar genähert habe, dieses jedoch abwehren konnten.
Warum hat dennoch nie jemand etwas gesagt? Warum hat nie einer darüber gesprochen oder etwas getan?
Das Schweigen des KVs hat allem einen bitteren, ekligen Beigeschmack gegeben und die Sache nicht verbessert. Im Gegenteil.
Natürlich kamen Gemeindemitglieder zu mir: Wie geht es ihm denn? Ist das nicht schrecklich? Das Herz, ja, aber er ist doch noch relativ jung. Der Arme!
Gut, sie wussten nichts, sie kannten die Wahrheit nicht, aber es tat dennoch weh.
Und der KV? "Ich hab ihn besucht, es geht ihm gar nicht gut. Er weiß nicht, wo er jetzt hingehen soll. Mensch geht es ihm schlecht. Er sieht schlecht aus. Der Arme ist ja völlig fertig."
Da stellten sich wirklich KV-Mitglieder vor mich, die genau wussten, was passiert war und sagten mir das ins Gesicht.
Dass ich gebten wurde, die Anzeige zurück zu ziehen, fällt da schon gar nicht mehr ins Gewicht.
Die Lage spitzte sich zu, die Kripo stellte sich schnell auf die Seite von ihm und ich hatte keine Chance mehr.
Schon gar nicht nach der Aussagen einiger Kirchenmitglieder. Nachdem mein bester Freund ausgesagt hatte und ich auch noch einmal aussagen musste, war ich fertig. Der Kripobeamte hatte mich mittendrinnen angeschnauzt, aber es ist nicht meine Schuld, dass es an den Egos diverser Männer kratzt, wenn sie mit sexueller Nötigung und ähnlichem konfrontiert werden. Die absolut blödste Frage: "Was hat er denn davon, wenn er sie anfasst und im Intimbereich küsst?"
Ich kam abolut fertig aus der Vernehmung und als ich nach der Uni dann endlich zu Hause war, ritzte ich mir den Bauch auf.
Mein Vater besorgte mir eine Anwältin, von der Kammer empfohlen, angeblich oft mit solchen Fällen konfrontiert, sollte das ihr Element sein. Ich würde sie nicht weiterempfehlen, aber das ist meine Meinung.
Sie hörte mir zu und ihr Befragung artete bald in ein Verhör aus, bei dem ich nur noch abblockte.
Inzwischen beschloss der KV aufgrund eines Briefes meines Vaters, der Gemeinde die halbe Wahrheit zu sagen. Das heißt, dass die Gemeindemitglieder auf Nachfrage die Antwort bekamen, dass er aufgrund einer Anzeige nicht mehr bei uns arbeitet.

Ich kürze etwas ab, denn in der Zeit ist wenig passiert, was hier aufgeschrieben werden muss.
Im Sommer rief mich meine Anwältin an und beim vereinbarten Termin teilte sie mir mit, dass das Verfahren eingestellt werden würde. Damit ich es verstehe, gab sie mir die Akte mit.
Ich las sie. Zweimal. Dabei hab ich mir die Seele aus dem Leib geheult. Als ich endlich zu Hause war, griff ich zur Klinge und ritzte wie in Trance auf meinem Bauch rum. Als ich wieder zu mir kam, war ich über mich selbst erschrocken. Niemals hatte ich so schlimm geritzt.
Zwei Tage später kam der Brief von der Staatsanwaltschaft. Mangel an Beweisen / Zeugen und mangelnde Glaubwürdigkeit der Anzeigenerstatterin.
Mir wurde eine Vergewaltigung nachgesagt, sogar von meiner Anwältin, bei der ich diesen Vorwurf von der Kripo abgestritten habe.
Es war vorbei.

Sonntag, Januar 09, 2005

Verzeihen VI

Diesen Brief habe ich als Erklärung und Rechtfertigung an den Kirchenvorstand geschrieben, der eine Stellungnahme von ihm und mir haben wollte und dann über ein weiteres Verfahren in dieser Angelegenheit diskutierte und abstimmte. Natürlich in Abwesenheit von uns beiden.
Er lag derzeit angeblich krank im Krankenhaus und ihm ging es ja ganz schlecht. Mittlerweile weiß ich, dass er zumindest ärztliche Bestätigungen hat.


Als Herr D. vor etwa einem Jahr als neuer Mesner in unsere Gemeinde kam, wurde ich von Frau H. gebeten darauf zu achten, dass auch alles läuft und auf eventuelle Fragen bezüglich des Mesnerns Herrn D. zu helfen.
Dies tat ich, was dazu führte, dass ich wie früher auch schon, ca. 45 bis 30 Minuten vor Gottesdienstbeginn in der Kirche war.
Nach etwa drei oder vier Wochen fing Herr D. an mich zur Begrüßung zu umarmen oder auch einfach mal so während des Mesnerns.
Doch dabei blieb es nicht.
Zuerst wurden Teile der Gespräche in recht sexistische Richtungen gelenkt durch schweinische Witze oder anzügliche Äußerungen Herrn D., beispielsweise: Ich bräuchte keinen BH, weil mein Busen so toll sei oder:
"Ich will es mal 'französisch' machen, aber da macht meine Frau ja nicht mit. Ich will einfach nur mal wissen, wie eine Frau schmeckt. Also, wenn du jemanden kennst, oder selber... ich würde dich gerne schmecken!"
Zudem kamen Gespräche über Intimrasuren hinzu.
Diese verbalen Belästigungen versuchte ich immer abzuwehren. Ich äußerte mich dazu nicht konkret, meinte, dass ihn keiner daran hindern würde, im sexuellen Bereich Dinge auszuprobieren, aber ich hätte kein Interesse daran und wolle auch nicht darüber reden.
Herr D. forderte mich auch immer auf, ihn zu besuchen, wenn er alleine wäre, was ich ablehnte und auch nie tat.
Es kamen noch weitere Äußerungen hinzu, die ich hier nur kurz nennen will – der Vollständigkeit halber:
„Seit ich dich kenne, denke ich immer nur an dich, wenn ich mir einen runterhole!“

"Ich will dich da unten küssen, jetzt! Ich krieg immer sofort nen Ständer, wenn ich Dich sehe!"

„Seit meinem Unfall hab ich nur noch einen Hoden! Meine Frau und ich hatten seitdem nur dreimal Sex und seit neun Jahren haben wir gar keinen mehr. Ich hatte was mit einer in der Zeit, die hat aber gelacht, als sie das gesehen hat. Aber du lachst nicht!“
Auf die Frage hin, warum er mir das erzählen würde, obwohl ich kein Interesse daran hätte, antwortete Herr D.: „Ich hatte sofort Vertrauen zu dir! Von Anfang an!“
Zudem wies er mich an, ich solle mich „für ihn aufheben“ und nichts mit einem anderen Mann anfangen.
Außerdem würde er mich heiraten, wenn er nicht verheiratet wäre. Später sagte er, er würde sich sofort scheiden lassen, wenn ich ihn heiraten würde.

Aber es blieb nicht nur bei verbalen Belästigungen.
Kam ich in die Kirche und war noch kein Gottesdienstbesucher anwesend, geschah es häufiger, dass er mich am Busen berührte oder mir zwischen die Beine fasste.
Stand ich an der letzten Kirchenbank und prüfte noch einmal, ob beispielsweise das richtige Parament hing oder sonstiges nicht vergessen worden war, stellte er sich hinter mich, stützte sich mit seinen Armen links und rechts neben mir ab, sodass ich nicht wegkonnte und rieb sich mit seinem Unterleib an mir.
Herr D. küsste mich öfters oder machte den Versuch.

Der „Höhepunkt“ kam in der Osternacht.
Seit Jahren bleibe ich zwischen den beiden Gottesdiensten in der Kirche und räume währenddessen das Gemeindehaus nach dem Osterfrühstück auf.
Herr D. und ich waren alleine und anfangs lief es ohne Probleme.
Dann standen wir in der Küche, er begann wieder mit seinem Unfall und ich stand in der rechten Ecke.
Er kam in meine Richtung, wollte etwas in den Biomüll werfen und kniete sich dafür hin, dann drehte er sich aber zu mir und fasste mir zwischen die Beine uns küsste mich da.
Ich konnte mich befreien, nahm einen Lappen und ging in den Saal, um die Tische abzuwischen.
Er kam mir nach, aber ich dachte eher daran, dass er mir helfen wollte.
Als ich mich umdrehte um zu einem anderen Tisch zu gehen, stand Herr D. neben dem Kamin, hatte die Hose herunter gezogen, und sein erregtes Glied in der Hand.
Er forderte mich auf, genau hinzusehen, näher zu kommen und ihn anzufassen, aber ich drehte mich weg und bat ihn nur darum, sich wieder anzuziehen und zu gehen.

Danach besuchte ich nur noch äußerst selten die Kirche und mied Zusammentreffen mit Herrn D..
Sicherlich werden Sie sich genauso wie die Polizei und meine Familie fragen, warum ich niemals tätlich wurde und vorher nichts erzählt oder dagegen unternommen habe.
Tätlich wurde ich nicht, weil Herr D. erheblich stärker ist als ich und ich seine Reaktion nicht abschätzen konnte. Deshalb blieb es bei verbalen Äußerungen und Bitten, die ihm Einhalt gebieten sollten – vergeblich.
Und ich sagte zu einem früheren Zeitpunkt nichts darüber, weil ich während meines Abiturs weder Nerven noch Kraft für Zeugenaussagen und ähnliches gehabt hätte und in der Zeit danach brauchte mich meine Familie.
Ich habe einige Zeit erfolgreich versucht das Geschehene zu verdrängen.
Mittlerweile, auch nach langen Gesprächen mit einem Freund ist mir allerdings klar geworden, dass es notwendig ist, gegen Herrn D. vorzugehen, da es keine Garantie dafür gibt, dass er nicht auch noch andere - eventuell Konfirmandinnen oder Mentorinnen – belästigt hat oder belästigen wird.

Verzeihen V

Mein bester Freund legte mir nahe, ihn anzuzeigen, aber ich wollte nicht. Angst, Scham, Schuldgefühle, all das spielte zusammen und wer würde mir denn glauben?
Außerdem wollte ich da keinen mit reinziehen. Ich wollte niemandem zur Last fallen, owollte nicht, dass sich jemand um mich sorgte. Nur er sollte dafür zur Verantwortung gezogen werden.
Es war Ende Oktober 2002 als ich in der Cafete der Uni saß und begann einen Brief zu schreiben. Ich beschrieb alles, was geschehen war von Anfang an.
Handschriftlich und anonym. Klar war das dämlich, irgendwie. Aber... ich weiß nicht recht.
Ich hab den Brief abgeschickt und gewartet und ihn vergessen. In wenigen Tagen schon. Ich wollte es auch vergessen. ich wollte keinen mit reinziehen, keinen belasten. Meine Eltern sollten davon nichts wissen, denn es hätte ihnen wehgetan und sie hätten sich Sorgen gemacht.
Anfangs wusste nur mein bester Freund von der Anzeige. Dann auch eine Freundin.
ICh wollte sie da alle raushalten.
Allerdings kam ich eines Tages heim und meine Eltern wollten mit mir reden. Die Polizei sei dagewesen, was sei denn zwischen ihm und mir.
Zusammengefasst war die Polizei gekommen, hatte meinen Eltern alles erzählt und den Brief gezeigt und wollten sogar mein Zimmer sehen. ICh weiß nicht, was die Kommissarin daraus für SChlüsse zog, es ist mir auch egal, sie hatte nie eine Ahnung, wer oder was ich bin und ihr Kollege sowieso nicht. Je länger ich mit ihnen zu tun hatte, desto weniger hielt ich von ihnen. Aber das mag Ansichtssache sein.
Bei meinen Eltern stritt ich erst alles ab, musste dann aber zu dieser Kommissarin und eine Aussage machen. Da wirkte sie noch nett und verständnisvoll, als würde sie mir glauben.
Die Folge war, dass ich es meinen Eltern erzählen musste, mein bester Freund musste eine Aussage machen, ich musste dem Kirchenvorstand alles erzählen und die Hölle begann.

Mittwoch, Januar 05, 2005

Verzeiehn IV

Nach vielen sexuellen Anspielungen, perversen Witzen, Aufforderungen, mich für ihn aufzuheben, Intimrasuren, die Bitte ihn einmal zu besuchen, es mit ihm mal auf Französisch zu machen, nach vielen Küssen, Umarmungen und Berührungen - eines unangenehmer als das andere, nach den Erzählungen über seine schlecht laufende Ehe, die neun Jahre, die er nun schon nicht mehr mit seiner Frau schlief, die getrennten Schlafzimmer und nach seiner Geschichte, dass er bei einem Lkw-Unfall einen Hoden verloren hätte, kam der "Höhepunkt".So nenn ich das Geschehene zumindest. Es war ein Höhepunkt, irgendwie. Auf jeden Fall hat es alles verändert.
Es war also mittlerweile Ostersonntag im Jahre 2002.
Ein Fest, das natürlich in der Kirche mit den nötigen Gottesdiensten gewürdigt wird. Früh morgens ist dann die Osternacht, irgendwann gegen 5 Uhr und danach gibt es ein Osterfrühstück im Gemeindehaus. Ist eigentlich immer ganz nett. Ich half immer noch beim Aufräumen, weil es doch recht viel Arbeit war und ging dann nicht erst nach Hause vor dem 10.15 Uhr Gottesdienst.
So auch dieses Jahr. Nur eben, dass es mit ihm war und dass dies das Problem war.
Ich sollte vielleicht vor dem Gottesdienst anfangen.
Da stand er nämlich da, war nervös, rauchte, umarmte mich, küsste mich.
NAch dem Frühstück waren wir alleine. Zum Aufräumen ist man ja immer alleine. Es lief alles gut. Wir erledigten das Aufräumen recht schnell. Dann fing er wieder an.
"Ich würde mal so gerne wissen, wie eine Frau schmeckt!" und: "Ich vertrau Dir! Ich hätte auch keine Angst, dass Du lachst, wenn ich Dir mein eines Ei zeige!"
Ich stand in der Küche mit ihm und lehnte an einem Schrank. Ich reagierte erst gar nicht drauf. Er kam auf mich zu, bückte sich zum Mülleimer und warf den Biomüll weg, dnn drehte er sich blitzschnell zu mir um, stemmte die Arme links und rechts von mir und küsste mich in den Schoß. Ich schob ihn weg und nahm einen Lappen, um die Tische abzuwischen. Er kam mir nach, nach ein paar Minuten. Ich beachtete ihn gar nicht, da er sich neben den Kachelofen stellte und somit ein paar Schritte von mir entfernt war. Dann drehte ich mich zum nächsten Tisch um und sah in seine Richtung. Seine Hose hing im seine Knöchel und er hatte seinen Penis in der Hand und spielte damit rum. "Komm mal her und sie ihn Dir an. Fass ihn doch mal an!"
Einen Moment lang war ich erstarrt, dann dreht ich mich weg, scheuerte den Tisch und sagte: "Bitte, zieh Dich wieder an!"
Wir sprachen nicht mehr darüber. Man hat es mir wohl auch nicht angesehen, zum Glück. Ich stand kurz vor meinem Abitur, ich wusste nicht, was ich machen sollte.
Zweifel quälten mich und Angst.
Bin ich schuld, glaubt mir das jemand, was passiert als nächstes, kann ich mit jemandem darüber sprechen?
Ich machte bei meinem besten Freund kurze Andeutungen, damit er mein zum Teil merkwürdiges Verhalten verstand, und das war's. Ich versuchte zu verdrängen, zu vergessen, hatte andere Sorgen und Probleme. Die Kirche besuchte ich gar nicht mehr und zu den Sitzungen irgendwelcher Gremien kam ich immer etwas später, damit ich ihn nicht sehen musste, nicht mit ihm reden musste. Ich enthielt mich im Kirchenvorstand, wenn es um ihn ging. Mir fiel auf - und das nicht nur mir - dass er weniger putzte und vor allem die Küche war dreckig - und die Toiletten.
Im September sprach ich ihn drauf an, was in einem Streit endetet. Später sollte er darüber zu Protokoll geben: Ich habe Dinge um mich geschmissen, sei sehr wütend gewesen und wäre dann abgerauscht.
ICh habe nichts um mich geschmissen und nicht geschrien. Aber gegangen bin ich