Donnerstag, Juli 30, 2009

Manchmal

Zu viele endlose Tränen

In zweifelloser Einsamkeit.

Zu viele unendliche Gedanken

Durch tausend Worte entfacht.

Liebt nur der eine

Hat nur einer eine Stimme?



Manchmal sind die Träume

Des Partners andere.

Manchmal sind die Ziele

Die Du hast nicht Deine.


>Eine kleine Erinnerung

Für immer eingebrannt.

Ein kurzer Moment

Als ewige Sehnsucht.

Gehört die Liebe

Wem sie gehören soll?



Manchmal baut man Schlösser

Und andere ziehen ein.

Manchmal gibt man den Schlüssel

Unfreiwillig weiter.



Keine Untreue

Vergiftet.

Keine Lüge

Tötet.

Schreit nur die Sehnsucht

In die dunkle Nacht?



Manchmal muss man sich

Trennen von der Liebe.

Manchmal muss man aufgeben

Weil man nicht die eine ist.



Manchmal stirbt man bewusstlos aus Liebe,

Weil die Macht bei dem ist,

Dem nicht so viel an der Liebe liegt.

Die Liebe - ist ein Mythos.

Donnerstag, Juli 02, 2009

Alles geregelt

Die Kerzen waren lange heruntergebrannt und verloschen. Aber die Aluminiumschälchen standen immer noch auf dem Fensterbrett am Balkon und warteten auf Entsorgung. Daneben standen die Kakteen, kleine Pflanzen, die in silberfarbenen Eimerchen standen und wachsen sollten. Sie bekamen beste Mittagssonne ab. Im Aschenbecher lagen zwei Zigarettenstummel und unzählige Ascheflocken, die der Wind irgendwann mitnehmen würde, wenn der Mülleimer sie nicht empfangen würde. Eine zersplitterte grüne Plastikwäscheklammer lag zwischen ihnen. Verblasst war sie wohl über die Jahre hinweg von Hitze und Kälte, von Feuchtigkeit und Trockenheit porös gemacht worden und irgendwann geborsten. Sie würde keine Wäsche mehr halten. Ihr Leben war verwirkt. Neben der Türe stand ein Müllereimer. Türkis, Plastik, ein Billigteil, das gute Dienste leistete und wahrscheinlich auch irgendwann der Witterung zum Opfer fallen würde. Vielleicht würde der Behälter bereits beim nächsten Umzug auf den Sperrmüll wandern. Darin standen leere Flaschen. Essig, ein Gurkenglas, das kleine Töpfchen einer Hautcreme, fein ausgekratzt bis auf den letzten Rest. Instantkaffee, Majonäse, zwei Fläschchen Chilisauce. Bedeckt war das Glas von einer grünen Plastiktüte, die Müll enthielt. Alufolie und Verpackungen von Wurst und Käse. Mit einem integrierten gelben Bändchen war es möglich, den Sack zusammen zubinden und dann tragen zu können. Das vereinfachte den Weg zur Tonne. Der Holzstuhl war nicht mehr neu und wackelig, wenn man ihn mit Gewicht konfrontierte. Der schwarze Plastikstuhl tat seinen Dienst, würde aber auch kein langes Leben mehr vor sich haben. Das Schutzblech auf der Balkonbrüstung war fleckig. Dreckiger Regen, Vogelkot und Blütenstaub hatten es gezeichnet. In den oberen Ecken zwischen Hauswand und Trennwand zum Nachbarbalkon zogen sich feine Spinnenweben entlang. Man hätte einen Besen nehmen und sie entfernen müssen, es aber nie getan. Die Fenster gehörten geputzt, die Rahmen abgewischt. Der Boden geschrubbt mit viel Putzmittel und Essigessenz.
Ein kleiner Marienkäfer landete auf der Schulter und wollte sich ausruhen. Da rutschte die junge Frau von dem schwarzen Plastikstuhl und fiel auf den fleckigen Boden. Halb bedeckte sie die leere Wodkaflasche, die einen kleinen Tropfen in komisch zähweißem Zustand beinhaltete und ihr aus der Hand gerutscht war. Der Stuhl landete halb auf der Frau, er hatte das Gleichgewicht nicht halten können, als sie zu Boden gesunken war. Der Marienkäfer war fortgeflogen. In ein paar Tagen würde die Polizei die Wohnung aufbrechen. Das kleine Büchlein würde noch auf dem Tisch liegen und sorgsam die letzten Gedanken zusammenhalten. Adressen waren notiert, Vorschläge, wie man das zurückgelassene Hab und Gut zu Geld machen könnte und somit kaum noch die Belastung der Entsorgung tragen müsste. Sorgfältig eingetütet und beschriftet waren die kleinen Figuren und Dinge, die man leicht verkaufen könnte. Ein Wohnungsflohmarkt sollte inseriert werden und die Leute sich aussuchen, was sie für kleines Geld erwerben wollten. Der Erlös konnte unter den Erben aufgeteilt werden. Neben den Dingen, die sie wirklich haben wollten, war Geld doch immer noch die sinnvollste Hinterlassenschaft. Ein Antiquariat würde alle Fachbücher nehmen, die neueren Auflagen könnten sehr gut an Studenten verkauft werden, die sich ein paar Euro sparen wollten. Es war alles geregelt. Bis ins kleinste Detail. Sogar das Geld für das Inserat lag dabei. Wenigstens das war geregelt, wenigstens das hatte sie auf die Reihe bekommen.

Samstag, Mai 23, 2009

und der Tod lachte...

Sie war lange geblieben. Bis alle anderen endlich gegangen waren und der Regen noch stärker geworden war. Vollkommen durchnäßt stand sie immer noch reglos da und betrachtete das Bild, das sich ihr bot. Es war egal, ob sie krank werden würde, oder ob der hunderste Tropfen über ihr Gesicht rann. Fast spürte sie es gar nicht. War das denn jetzt noch von Bedeutung.
Sie war geblieben und hatte den Tod gespürt, der unerbittlich herbeigeschritten war und sich genommen hatte, was er wollte. Er brauchte es nicht, der Tod brauchte gar nichts, deshalb war er ja der Tod. Aber er nahm sich, was er wollte. Vorzugsweise Liebende, denn er ergötzte sich so gerne an dem Leid, das er hinterließ.
Ja, das sah er ganz gerne. Das munterte ihn auf, bei seinem tristen Job war das nötig. Leise schlich er sich an das Pärchen heran und konnte sich kaum zurückhalten, den einen nicht sofort zu packen! Aber es hätte den Spaß verdorben. Denn es musste der richtige Moment sein, in dem er zuschlug. Die Liebe musste brennen, die beiden Liebenden mussten sich sehnen und sich so sehr lieben, dass sie scheinbar ohne einander nicht mehr leben konnten. Nun ja, sie wollten es einfach nur nicht, aber das war ja nicht sein Problem und machte sie Sache so spannend. Das größte Vergnügen bereitete es dem Tod, sein Opfer zu holen, wenn der andere Liebende sich nicht verabschieden konnte. Ein plötzlicher Tod, etwa durch einen Unfall. Ha! Das war das Beste! Dann stand die Liebende da und weinte und schrie und suchte den Schuldigen. Dann hallte ihre schrille Stimme durch das Universum und ihr Schmerz breitete sich aus und vergiftete für einen Moment alles Leben. Ihre Tränen schienen nie mehr wieder zu versiegen. Und der Tod lachte. Dann stand der Liebende stumm und erstarrt am Grab und man sah Tränen, die leise und schleichend fielen und versiegten. Der Schmerz war genauso groß, aber der Liebende litt stiller. Und der Tod lachte. Nur totgelacht hat er sich nie.

Sie war lange geblieben und schließlich kniete sie vor dem Grab nieder, alleine und nass bis auf die Haut. Was Tränen waren und was Regenwasser konnte man nicht mehr unterscheiden. Stumm flüsterte sie den Namen ihren Liebsten. Immer und immer und vergeblich. Er kam nicht mehr zurück. Der Liebste stand am Kopf des Grabes neben dem Tod und weinte. Weil seine Liebste weinte und er sie doch nie weinend und unglücklich sehen wollte.
Und der Tod neben ihm lachte. Vielleicht würde er sie bald holen, aber das wäre langweiliger. Es wäre kein Liebster da, der um sie weinte. Und der Tod hätte nichts zu lachen.

Freitag, Mai 15, 2009

Die Axt

Er küsste sie und schmeckte dabei den metallenen Geschmack des Blutes. Sogar aus ihrem Mund ergoss er sich, drängte fliehend in die Freiheit. Heraus aus den engen Adern! Überall klaffende Wunden. Während er sie betrachtete, wiegte er die Axt in der Hand. Der Holzgriff war warm und etwas klebrig. Die Klinge war rot und von ihr troff die Lebensflüssigkeit der Frau, die er liebte. So still lag sie vor ihm, halb auf dem Sofa, halb auf dem Teppich. Ihre Gliedmaßen waren komisch verrenkt oder lagen wenige Zentimeter vom Körper entfernt. Weitaufgerissen schien ihr wundervoller Mund zu schreien. Laut und grell. Ihr letzten Schreie waren nicht die um Hilfe gewesen, in dem abgelegenen Haus hätte sie ohnehin niemand gehört; ihre Lippen hatten zuletzt seinen Namen geformt und ihre Stimme hatte ihn verzweifelt und kreischend intoniert. So hatte es sein sollen. Sie gehörte ihm, das war ihr klar geworden und das waren ihre letzten Worte gewesen. Die einst so strahlend grünen Augen waren weit aufgerissen und starrten ihn an. Wie die Augen eines Fischen glotzen sie und veruteilten ihn. Er konnte dennoch Angst in ihnen erkennen. Schreckliche Angst, in der sie nun immer bleiben würden. Doch ihr letzter Blick hatte ihn eingefangen und festgehalten. Nur das zählte.
Nachdem er die Axt beiseite gelegt hatte, griff er den Torso und was noch daran hing und trug ihn in die Hütte neben dem Haus. Danach sammelte er die restlichen Gliedmaßen ein und machte sich an die Arbeit. Es war nicht schwieriger als bei den Tieren, die er jahrelang präperiert und ausgestopft hatte. Auf einem Tisch neben ihm stand eine Katze, seine bisher wohl beste Arbeit, die nie jemand zu Gesicht bekommen hatte. Seine Frau hatte gedacht, Smoky wäre weggelaufen und hatte tagelang geweint. Den Schnitt durch die Kehle der Katze - es war wie ein Schneiden durch Butter gewesen - hatte er gut kaschiert. Diese Katze... so viel Aufmerksamkeit hatte seine Frau ihr geschenkt und Smoky verwöhnt und verhätschelt und sich fast mehr um sie gekümmert, als um ihn. Dabei war er doch ihr Mann. Dabei sollte sie sich doch um ihn kümmern, ihn verhätscheln, ihn lieben - und nur ihn!
Seinen Beruf hatte sie immer abstoßend gefunden und weil es in ihren Augen derart widerlich war, hatte sich nach und nach alle seine Arbeiten, die er nicht verkauft hatte, aus dem Wohnhaus verbannt. In seine Arbeitshütte war sie nie gekommen. Daher konnte Smoky auch hier stehen. Auch wenn es ihn immer gestört und er sich ungeliebt und abgewiesen gefühlt hatte, hatte er doch erkannt, dass es auch einen positiven Effekt hatte. Dadurch hatte er Olaf, den Liebhaber seiner Frau beseitigen können. Einmal die Woche war er zu ihr gekommen, angeblich ein alter Studienkollege, mit dem sie an einer wissenschaftlichen Arbeit über was auch immer arbeitete. Aber wie sollte er das glauben? Blöd war er nicht und er hatte sehr bald erkannt, dass Olaf nicht mit seiner Frau wissenschaftliche Studien betrieb, sondern vielmehr an seiner Frau arbeitete. Welcher Mann kann das zulassen? Er konnte es jedenfalls nichts und Olaf verschwand. Offiziell eine lange Reise nach Australien - zu Studienzwecken, wie er in einem Brief mitteilte. Inoffiziell schrieb er mit zitternden Händen diesen Brief und starb dann ebenso wie Smoky in der Hütte. Mit dem Unterschied, dass er nach seinem Tod nicht ausgestopft sondern tief in der Erde verbuddelt wurde.
Mit seiner Frau hatte er anderen vor. Sie sollte ihn lieben und ehren. Dem stand nun auch niemand mehr im Weg. Er würde sie an ihren Lieblingsplatz setzen. Am Fenster im Schlafzimmer, in ihrem Sessel, mit einem Buch in der Hand. Den Blick auf das Bett gerichtet. Immer würde sie ihn ansehen, leicht lächelnd. Das würde zwar viel Arbeit werden, aber es würde sich lohnen.
Für immer sein. Nur sein.

Samstag, April 04, 2009

Brennende Eisberge

Brennende Eisberge
umschiffen
sengende Wüsten.
Durch ein Farbenmeer
aus leuchtendem Schwarz
klettern sie schwerelos.
Kleine Riesenspinnen
krabbeln über Leere
beißen mit Gift.
Die Flammen
lodern kalt
in den Abgrund.
Zähe Flüssigkeit
stürzt bergauf
flutet Steine.

Brennende Eisberge
schmelzen
kalte Liebe
vereiste Freude
Verlorenheit.
Gefrorenes Feuer
lässt bersten
Leere
Tod
Tränen.
Böse Engel
umarmen
helldunkle Gefühle
grausamschöne Geborgenheit
hassliebende Zärtlichkeit.

Brennende Eisberge
sei du einer
von ihnen.
Gefrorenes Feuer
in mir
bringe zum Schmelzen.
Ich bin der Hass
du die Liebe
glücklich vereint.
Lass uns
brennen
frieren
lieben.
Für immer
dein.

Dienstag, März 31, 2009

Diverse Gedichte

Erkenntnis
(21.02.04)

Ich bin gestorben.
In Träumen und Gedanken.
Tausend kleine Tode – ohne Blut.
Wie kleine Nadelstiche auf der Seele.
Meine Seele flog davon,
sie kehrte nicht zurück.
Eine große Lüge, die sich Leben nennt.
Gespickt von Gerechtigkeit und Vertrauen.
Du lebst nicht.
Du bist tot – und hast es nicht begriffen.
Ich bin jetzt auch gestorben.
Das, was Du Tod und Unglück nennst,
was Dich aus Deinem Leben zerrt,
das ist Erkenntnis.


Die schwarze Fee
(21.02.04)

Klein, in schwarz gewandet, siehst Du sie.
Schwebt durch die Welt zu Dir, zu Euch.
Sie sieht Dich an, berührt Dein Herz.
Nimmt Deine Seele bei der Hand.
Führt Dich in ihr Märchenland.
Sie zeigt Dir Lachen, zeigt Dir Glück.
Sie zeigt Dir ein Leben.
Schöner als das Deine jetzt.
Die Wunden in Dir heilt sie sanft.
Weckt ein Verlangen tief in Dir.
Sind Deine Tränen weggewischt.
Sind Deine Wunden gut verheilt.
Bist Du glücklich jetzt und lebst –
lässt sie Dich dort einfach zurück –
und holt den Nächsten.
Kannst Du leben in ihrer Welt,
so bleibst Du dort und holst Deine Seelen.
Kannst Du es nicht,
so entfliehst Du daraus.
Vielleicht kehrst Du einmal zurück.
Sie hört Dich, wenn Du rufst.
Vielleicht hältst Du das Glück
nicht aus
und stirbst,
ohne sie wiederzusehen.


Three month
(2004)

Nach drei Monaten haben wir uns wiedergesehen.
Und alles war genauso wie damals.
Wir fühlten das gleiche.
Wir lächelten auf die gleiche Weise.
Wir konnten uns kaum ansehen.
Ich weiß nicht, ob Du mich liebst,
oder ob das nur ein bisschen mehr als gute Freundschaft ist.
Ich weiß nur, was ich für Dich empfinde.
Mehr als nur gute Freundschaft.
Ich liebe Dich!


Unsere Welt

Es war unsere Welt mit Hexen und Feen,
mit Magie und Wundern,
mit Frieden – nicht für heute, „für immer“!
Es war unsere Welt ohne Hass und Gewalt,
ohne Blut und Wunden,
ohne Lügen und Intrigen.
Es war, was wir suchten,
wovon wir träumten.

Und jetzt sagst Du, es gibt sie nicht.
Du sagst, unsere Welt hat sich zwischen uns gestellt.
An was wir glaubten, was Bedeutung hatte,
alles schmeißt Du weg – lässt mich allein.

Es gab nur Dich und mich.
Es gab ein Wir, ein Uns.
Was wir taten, was wir dachten,
es bedurfte nicht vieler Worte,
wir fühlten, was wir sahen,
und wir hörten unsere Stimmen
aus den Herzen.

Und jetzt sagst Du, es gibt sie nicht.
Du sagst, unsere Welt hat sich zwischen uns gestellt.
An was wir glaubten, was Bedeutung hatte,
alles schmeißt Du weg – lässt mich allein.

Es gibt kein Weiter mehr und keine Liebe,
keine Zukunft für das Uns.
Es gibt nur Tränen und den Schmerz,
ganz tief in Dir und mir.
Es bleibt noch eine Hoffnung,
ganz still und leise, klein in uns
auf dieser Welt –
doch sie hat sich zwischen uns gestellt.



Denn Liebe hasst

Einsam schleicht sich Liebe ein,
bringt Gefühle mit und Hass.
Lässt Dich eifersüchtig sein,
und den einsperren, den Du magst.
Sie verspricht euch alles,
doch halten tut sie nichts.
Nur der Schmerz der Einsamkeit
bleibt hinter ihr zurück.

Die Liebe hasst das Glück,
täuscht Dich und kommt nie mehr zurück;
halt sie nicht fest.
Such nicht sie, sondern das Glück.

Kann Liebe Sünde sein, verraten?
Kann sie uns nehmen, was wir hatten?
Kann sie so groß sein, dass sie brennt?
Dass wir heute freund sind, morgen fremd?
Wir haben immer das Gefühl,
dass nur die Liebe siegen will.
Wir geben nach,
geben ihr recht –
und das ist schlecht!

Denn Liebe hasst das Glück,
fängt ein, hält fest, macht fröhlich und vergnügt.
Doch wenn sie geht
kommt sie nicht mehr zurück.


Die Liebe würde siegen

Ich wusste nicht, dass es Liebe war.
Für mich warst Du ein Arschloch, als ich Dich sah.
Doch Tränen sagen so viel mehr,
und wir beide weinten doch so sehr.

Die Klinge küsste meine Haut.
So kalt, so hart durchtrennte sie die Seele,
sie küsste mich –
ein Hauch von Zärtlichkeit.

Die Liebe würde siegen,
hat man mir erzählt,
doch sie konnte nur belügen,
hat uns doch nur gequält.

Wir sprachen nächtelang über Gott und diese Welt.
Du warst so einsam, hattest das Leben abgestellt.
Wir traten in unsere Leben,
und holten uns vom Tod zurück.

Deine Lippen küssen mich,
Deine Hände auf meiner Haut.
Unsere Liebe als der Retter,
vor der letzten Abfahrt Tod.

Die Liebe würde siegen,
hat man mir erzählt,
doch sie konnte nur belügen,
hat uns doch nur gequält.

Nach langen, schönen Nächten
und Glück im Überfluss,
hast Du mich dann verlassen,
„Weil’s ein Ende haben muss!“

Wo ist denn nun die Liebe?
Sie liegt am Boden, ist besiegt.
Wer von der Macht der Liebe spricht –
der lügt!


Der Tod
(29.06.01)

Dem Tod ist es egal,
ob Du arm oder reich bist.
Es ist ihm egal,
ob Du jung oder alt bist.
Er schert sich nicht darum,
ob Du fröhlich oder traurig bist.
Ihn kümmert nicht,
ob Du voll Liebe oder Hass bist.
Der Tod holt jeden.
Den einen früher,
den anderen später.
Mich vielleicht früher!


Vielleicht
(30.09.01)

Die ganze Welt dreht sich weiter.
Die Menschen machen alles wie immer.
Sie sehen Dich nicht an.
Kümmern sich nicht um Dich.
Ich hasse Dich.
Ich hasse mich.
Meine Hilflosigkeit.
Meine Gefühle.
Ich hasse die Welt.
Ich hasse das Leben.
Und ich hasse die Klinge,
die sich in meine Haut gräbt.
Vielleicht ist es irgendwann vorbei.
Vielleicht hat die Klinge irgendwann ihr Ziel erreicht,
Vielleicht werde ich auch überleben.
Vielleicht bleiben nur die Narben zurück.

Wohin?

Wohin?
(21.02.04)

Ich habe Dir wehgetan,
immer und immer wieder.
Ich habe es nicht bemerkt.
Du hast Dich nicht gewehrt.
Anfangs nur.
Du wurdest immer stiller,
hast gar nichts mehr gesagt.
Ich habe es nicht bemerkt.
Du bist gegangen,
langsam und stumm.
Erst als Du weg warst,
nach ein paar Jahren, habe ich gefragt:
Oh, Licht, wo bist Du hin?

Donnerstag, März 26, 2009

Frühlingserwachen

Sie konnte seine Hände noch auf ihrer Haut spüren. Jede einzelne Berührung auf ihrem Körper, wie er sie gestreichelt hatte, den Hals, die Brüste – ein paar Mal hatte er die Brustwarzen umkreist, bis sie hart geworden waren – dann weiter über den Bauch, bis er endlich an seinem Ziel gewesen war. Seine Hand zwischen ihren Beinen, in sie eindringend. „Hab Spaß!“, hatte er sie aufgefordert, ihre Beine mit beiden Händen auseinandergedrückt und war in sie eingedrungen. Schnell und hart. Über ihr hatte er sich bewegt und ihre Arme festgehalten. Es war seine Show gewesen. „Komm, du willst es doch auch! Also stöhn’ ein bisschen. Nun mach schon!“ Als sie immer noch beinahe regungslos unter ihm gelegen hatte, war er brutal geworden, hatte ihr in das tränennasse Gesicht geschlagen und sich erst recht genommen, was er wollte. Er war über sie gekommen, wie ein apokalyptischer Reiter über die Welt und hatte erst nach langen Momenten der Schändung und des Schmerzes von ihr abgelassen. Nicht einmal mehr weinen konnte sie. Wie versteinert lag sie da, lange noch, nachdem er endlich gegangen war.
Danach war die Zeit des Schweigens gekommen. Schweigen, weinen, fliehen. Mit wem hätte sie denn darüber sprechen können und wer hätte ihr geglaubt, nachdem sie wochenlang von ihm geschwärmt hatte? So sympathisch und interessiert, wie er gewesen war, als sie sich kennen gelernt hatten, so überaus attraktiv und charmant. Niemand würde ihr glauben, wenn sie ihn jetzt als brutalen Vergewaltiger anprangerte. Also schwieg sie, zog sich zurück, weinte, trank und plante, sich das Leben zu nehmen. Dieses graue, triste Leben. Welchen Sinn hatte das alles noch? Als ihre Regel ausblieb, kaufte sie vier Wochen später einen Schwangerschaftstest, vorher hatte sie sich nicht dazu aufraffen können. Er war positiv. Da wuchs also etwas in ihr. Von ihm. Er hatte seinen Samen auf fruchtbares Land gegeben, wie biblisch, wie gut katholisch! Der kleine Teufel in ihr war aber kein Beweis für die Vergewaltigung, kein Zeuge, kein Nichts. Nur eine stete, erdrückende, dunkle Erinnerung an die Zeit ihrer Qual. Sie fragte nicht einmal mehr: „Und jetzt?“, sie dachte nicht über Schwangerschaftsberatung und Abtreibung nach; sie betrank sich. Wein, Bier, Wodka. Immer wieder übergab sie sich – und trank weiter. Nach einigen Tagen befand die Natur sie als nicht würdig, Leben in sich zu tragen und regelte die Angelegenheit. Sie starrte einfach nur auf das Blut und griff erneut zur Flasche. Das Kind war ihr ohnehin egal gewesen. Sie wollte nur sterben. Irgendwo waren sicherlich noch Tabletten, Schlafmittel, Beruhigungsmittel, egal. Was sie fand, nahm sie, dazu eine Flasche Wodka, und ließ sich auf das Sofa fallen.
Auf dem Bildschirm ihres Laptops blinkte ein kleiner Brief. Irgend jemand hatte sie auf einer Singleseite angeschrieben. Vor langer Zeit hatte sie sich aus Spaß angemeldet – und dort in den letzten Wochen einen ausgeprägten Männerhass ausgelebt, die zurückerhaltenen Beleidigungen vom anderen Geschlecht hatten sie sehr amüsiert. Diese miesen Schwanzträger hatten doch sowieso keine Ahnung von gar nichts!
Der Absender nannte sich Frühlingserwachen. Wie peinlich! Was für ein Pseudonym für einen Mann! Sie nahm den ersten langen Schluck Wodka aus der Flasche, die ihre letzte werden sollte und klickte die Nachricht an.
Hallo Fallen Angel, ich habe Dein Profil gelesen. Da steckt sicherlich mehr dahinter. Wenn Du mal reden möchtest oder Hilfe brauchst, kannst Du Dich gerne bei mir melden. Auch telefonisch. Schöne Grüße, Jan
Es folgte eine Telefonnummer. Er wohnte nicht weit entfernt. Sie lachte kurz auf. Was ein Vollidiot! Den wollte sie dann doch noch fertig machen, bevor sie ihr Leben beendete.
Hallo Jan! Hast Du mit der Masche überhaupt schon mal Glück gehabt? Ich kann auf schleimige Typen verzichten, die einen auf verständnisvoll machen. Du willst doch eh nur das eine, dann sag es doch auch direkt.
Sollte er sich doch ins Knie ficken! Sie trank wieder einen Schluck und sah die Medikamentenpackungen durch. Viele Tabletten hatte sie nicht. Es waren kleine Packungsgrößen gewesen, die sie zum Teil aufgebraucht hatte, als der Arzt ihr diese verordnet hatte. Fluchend drückte sie die Tabletten aus den Aluminiumverpackungen und sammelte sie auf dem Tisch. Der Alkohol tat längst seine Wirkung und sie musste mehrfach zum Zählen ansetzen. Es waren fünfundzwanzig Tabletten. Ob das ausreichend war?
So hasserfüllt? Nein, es ist keine Masche, nur eine ehrliche Frage. Dein Profil ist besorgniserregend und da wollte ich nachgefragt und meine Hilfe angeboten haben. Dir geht es wohl schlecht und Du vertrittst schon seit einiger Zeit eine krasse Einstellung in Deinem Profil. Wie ich vermute, steckt da erheblich mehr dahinter, als eine enttäuschte Liebe. Wenn Du also reden möchtest, kannst Du Dich gerne melden. Ich werde Dir helfen, so gut ich kann. Aber nur so als Hinweis, auf weitere Anfeindungen kann ich verzichten.
Dieses blöde Arschloch! Was fiel dem überhaupt ein? Erst schrieb er sie an und dann wollte er ihr auch noch Vorschriften machen, wie sie mit ihm zu reden hatte!
Dann saß sie einen Augenblick lang stumm und reglos da und überlegte, wie ernst sein Angebot zu nehmen war. Sie lachte abfällig und wollte mal sehen, wie ernst er es meinte.
Helfen? Was könntest Du schon tun? Es ist sowieso zu spät und vorbei. Vor mir liegen Tabletten und es ist Alkohol da. Das wird mein Tag!
Sie ließ sich zurückfallen und schloss für einen Moment die Augen. ‚Das wird mein Tag!’, hatte sie geschrieben. Ein Tag in diesem beschissenen Leben sollte ihr gehören und heute war es soweit. Ihr Todestag! Er würde in der Zeitung stehen. Vielleicht reichte es für eine kleine Meldung in der Lokalzeitung – das wären ihre 15 Minuten Ruhm gewesen – und die Todesanzeige natürlich. Aber was würden ihre Angehörigen wohl schreiben? Sicherlich nichts, was darauf schließen ließ, wie sie aus dem Leben gegangen war. Mit einem gehörigen Wodkarausch und fünfundzwanzig Tabletten – die hoffentlich ausreichend waren.
Wenn Du Dich heute sowieso umbringen willst, kannst Du doch auch noch mit mir sprechen, oder? Du hast doch nichts mehr zu verlieren und so weiß wenigstens jemand, warum Du das tust. Wahrscheinlich hast Du keinen Abschiedsbrief geschrieben, oder? Wenn Du magst, kann ich auch vorbeikommen, damit das Gespräch Auge in Auge stattfinden kann.
Kluger Bursche, das musste man ihm ja lassen. Ein Abschiedsbrief existierte tatsächlich nicht. Warum auch? Keiner würde ihr Glauben schenken. Beweise gab es auch keine mehr. Die Bettwäsche hatte sie sofort danach abgezogen und in die Waschmaschine gestopft – wo sie nach dem Waschen immer noch lag und vor sich hin moderte. Was machte es, wenn er vorbei kam? Dann würde er sehen, wie es ihr ging. Was wäre, wenn er sie auch nur ficken wollte? Es war egal. Sie war zu betrunken, um sich daran zu stören und die Tabletten lagen bereit. Was machten in dieser Situation noch weitere Schmerzen aus? Das Ende war nah und konnte jederzeit herbeigeführt werden.
Mir ist sowieso alles egal. Kannst auch gerne herkommen und mich ficken. Ich wehre mich auch nicht.
Sie nannte ihre Adresse und nahm einen weiteren tiefen Schluck aus der Wodkaflasche. Die Tabletten starrten und lachten sie an, aber noch war es zu früh. Erst wollte sie noch wissen, wer oder was dieser Jan war.
Wie gesagt, ich komme gerne vorbei. Was dann passiert, werden wir sehen. Aber mir geht es eigentlich in erster Linie um Dich.
Er wollte sichergehen und sie nicht bedrängen. Na, sollte er doch, es war egal.
Ja, klar, komm.
Sie spielte mit den Tabletten neben dem Laptop und legte ein Smiley-Gesicht mit einem extrabreiten Grinsen. Die Wodkaflasche stand noch zu dreiviertel voll daneben. Es war nicht das erste, was sie an diesem Tag getrunken hatte und ihre Glieder waren bleiern. Sie döste ein.
Ein nerviger Ton weckte sie. Er war schrill, laut und störend. Es dauerte eine Weile, bis sie realisierte, dass es die Türklingel war. Mühsam kämpfte sie sich hoch und machte einige Schritte Richtung Wohnungstüre. Sie stolperte über irgend etwas und fiel hin. Darüber musste sie lachen. Die Türklingel schrillte weiter, jemand klopfte an die Tür und rief ihren Namen. „Marlies? Marlies, mach die Tür auf!“ Ja, ja, nur keine Hetze.
Sie rappelte sich auf, alles drehte sich um sie, deshalb kroch sie auf allen Vieren durch die Wohnung zur Tür und drückte die Klinke. Die Tür schwang auf. Im Treppenhaus stand ein junger Mann um die Dreißig, groß, gemütlich mollig, blonde Haare. Er schob die Tür weiter auf und kniete neben ihr nieder.
„Marlies?“ Seine Stimme war sanft und ruhig. Er tätschelte ihre Wange.
„Marlies? Was ist los? Hast du die Tabletten genommen?“ Mit glasigem Blick sah sie ihn an.
„Nein. Wer bist’n du?“ Er schloss die Tür und nannte seinen Namen. Dann nahm er sie hoch und trug sie durch die Wohnung. Das Schlafzimmer war verwüstet, genauso wie der Rest. Jan legte die junge, schlafende Frau auf ihr Sofa und deckte sie zu.
„Schlaf ein bisschen…“, doch das bekam Marlies schon nicht mehr mit.
Jan ging durch die einzelnen Räume. In der Küche stapelten sich Geschirr und leere Pizzaschachteln, der Mülleimer quoll über und es roch übel. Das Schlafzimmer schien verwüstet und seit Wochen nicht betreten worden zu sein. Das Bettzeug lag verstreut im Zimmer, die Matratze lehnte an der Wand, Klamotten waren überall verteilt. Im Badezimmer roch es modrig, das Waschbecken war dreckig, der Geruch von Erbrochenem hing in der Luft. Das Wohnzimmer bot keinen besseren Anblick. Überall lagen leere Flaschen und Essensreste in diversen Stadien der Verwesung. Wie hatte sie hier leben können und was hatte sie überhaupt dazu gebracht, alles soweit verwahrlosen zu lassen?
Jan öffnete in jedem Raum die Fenster, deckte Marlies mit einer weiteren Decke zu und suchte Müllsäcke, um ein wenig Ordnung zu schaffen. Er fand die Tabletten auf dem Tisch und fegte sie in den Abfall. Dann suchte er den Wohnungsschlüssel und brachte den Müll raus, sammelte die Pfandflaschen zusammen und ging einkaufen. Marlies würde etwas zu essen brauchen, wenn sie aufwachte. Als er zurück war, richtete Jan das Schlafzimmer soweit her, dass Marlies zumindest wieder im Bett schlafen konnte, was erheblich bequemer sein würde, als das Sofa. Dann spülte er ab und putzte das Bad. Marlies würde sicherlich noch länger schlafen.

Marlies erwachte mit starken Kopfschmerzen und fand sich erst gar nicht zurecht. Wo war sie? Die Gardinen hielten zum Glück das grelle Licht zurück und es war angenehm still. Vorsichtig setzte sie sich auf und sah sich um. Es war ihr Schlafzimmer, das erkannte sie nun. Was tat sie hier? Wie war sie hierher gekommen? Warum lag sie in ihrem Bett? In diesem unseligen Bett? Warum war das Schlafzimmer ordentlicher als in ihrer letzten Erinnerung? Sie wollte aufstehen und schlug die Decke zurück, aber alles drehte sich und sie ließ sich stöhnend zurücksinken. Es klopfte leise an die Tür und Marlies erschrak. Die Tür schwang auf und sie hörte eine Bewegung, leises Klirren. Jan betrat mit einem Tablett in den Händen das Zimmer.
„Hallo Marlies“, er bemühte sich, leise zu sprechen und dabei das Tablett möglichst geräuschlos auf ihrem Nachttisch abzusetzen.
„Wer bist du und was machst du hier?“ Sie erkannte ihn nicht und konnte sich an nichts mehr erinnern.
„Ich bin Jan. Wir haben uns per Mail kennen gelernt. Du hast lange geschlafen und ich habe in der Zeit ein bisschen aufgeräumt. Du brauchst Ruhe, aber vorher solltest du etwas essen und vor allem was trinken. Das wird jetzt nötig sein.“ Er hielt ihr ein Glas mit einer sprudelnden milchigen Flüssigkeit hin.
„Was ist das?“ Marlies war skeptisch.
„Nur etwas gegen deine Kopfschmerzen.“ Er lächelte und sie trank zögernd. Langsam kam die Erinnerung zurück und mit ihr die unendliche Traurigkeit und Leere.
„Was hat das hier alles noch für einen Sinn? Ich wollte sterben, warum hast du mich nicht einfach sterben lassen?“ Es klang vorwurfsvoll und war genauso gemeint. Jan ließ sich nicht beirren:
„Schon mal was von unterlassener Hilfeleistung gehört? Ich kann dich doch nicht einfach sterben lassen. Denk doch mal an meine Gefühle, wie wird es mir danach wohl gehen?“, er grinste breit und man konnte ein schelmisches Funkeln in seinen Augen sehen, „jetzt habe ich mir so viel Mühe gegeben, jetzt musst du mir aber auch ein bisschen Zeit gönnen.“ Er strich ihr sanft über die Wange. In seinen Berührungen und seiner Stimme lagen so viel Zärtlichkeit und trotzdem antworte sie erst mal: „Ich hasse dich! Du egoistisches Arschloch! Mir ist doch egal, wie es dir dabei geht. Hier geht es um mich und nicht um dich! Aber klar, jetzt appellierst Du an mein Mitgefühl, dass ich dir das ja nicht antun kann. Aber weißt du was? Das ist mir scheißegal!“
Er saß immer noch da und lächelte: „Na komm, werd’ noch ein bisschen mehr Zorn los. Was ist denn passiert?“ Sie schlug nach ihm und beschimpfte ihn. Langsam verschwand sein Lächeln und er guckte etwas kritisch.
Nachdem der erste Zorn verraucht war, kam ihr der Gedanke, dass er wahrscheinlich schon mehrere Stunden hier war, ihr nichts getan hatte, nett schien und es keinen Grund gab, ihn weiterhin anzugreifen.
„Wenn ich gehen soll, dann sag’s. Aber es würde mich unheimlich freuen, wenn du mir erzählen würdest, was passiert ist und wie ich für dich da sein kann.“ Sie blickte in diese treuen Augen und ihr war klar, von ihm ging keine Gefahr aus und er meinte es ernst. Es interessierte ihn wirklich und es schien ihm etwas zu bedeuten, ihr helfen zu können. Warum, wusste sie nicht, aber das war ihren Gefühlen egal, denn sie wurde gerade von ihnen überwältigt und Tränen schossen ihr in die Augen. Alles, was in den vergangenen Wochen in ihr vergraben worden war, brach aus ihr heraus. Die Vergewaltigung in ihrer Wohnung, ihrem Bett, in dem sie danach nicht mehr hatte schlafen wollen. Die Schmerzen und blauen Flecke, die sie davongetragen hatte und eine Zeit lang eine ständige Erinnerung gewesen waren. Wie hilflos sie sich gefühlt hatte. Die Wochen danach, geprägt von Tränen, Schmerz und Schweigen. Die Schwangerschaft, die überraschend und unpassend war. Wie grässlich ihr Verhalten gewesen war, durch das sie ihr Kind verloren hatte. Sie erzählte vom Alkohol, der ihr bester Freund geworden war und ihr scheinbar durch die dunklen Stunden half und den Schmerz betäubte. Von ihrem Hass auf Männer, der täglich stärker und unerbittlicher wurde. Die Tabletten, die ihrem tristen, grauen Leben eine Ende bereiten und ihr den sehnsüchtigen Wunsch, zu sterben, erfüllen sollten.
Jan saß einfach nur am Bett, hörte ihr zu, gab ihr hin und wieder ein Taschentuch oder wischte ihre Tränen ab. Sie richtete sich auf und ließ sich in den Arm nehmen. Die sanfte Berührung ließ sie weinen, weinen, weinen. Als keine Tränen mehr kamen und Marlies völlig erschöpft in seinen Armen lag, flüsterte er leise: „Leg dich wieder hin und schlaf’ ein bisschen. Wenn du das nächste Mal erwachst, wird die Sonne scheinen und du wirst das Leben wieder spüren.“

Samstage

Jeden Samstag dasselbe. Sie drehte das Radio auf, tanzte durch die Wohnung ins Bad, schloss die Tür – deshalb musste das Radio ja auch so brüllen. Gemütlich legte sie sich in die Badewanne mit viel Schaum, entspannte bei einer Gesichtsmaske, die sowieso nicht schöner machte und legte sich Gurkenscheiben auf die Augen – vom Essen derselben wäre sie ja fett geworden Eine Stunde später konnte man hören, wie sie Wasser nachlaufen ließ, warm natürlich. Sie würde die Beine rasieren, die Achseln, die Bikinizone – was für das eine mal Sex pro Woche unnötig war. Dabei grölte sie die Songs mit, die ihr gefielen. Ich hasste sie mittlerweile nur noch und wusste nicht mehr, warum ich mich in sie verliebt hatte – und wann. Am liebsten hätte ich sie mit ihrer Pinzette erstochen, mit der sie ihre Augenbrauen zupfte – auch jeden Samstag. Ich hätte die Pinzette ergriffen und ihr die Augen ausgezupft und dann jedes kleine Härchen, das sie nicht abrasiert hatte. Danach hätte ich sie in ein Laken gepackt und verscharrt…
„Ich liebe dich, Hase!“ Sie stolzierte in ein Handtuch gepackt an mir vorbei, mit der Pinzette und einem kleinen Spiegel bewaffnet. Bereit zur Haarbekämpfung.
„Ich dich auch, Schatz!“ Es war hoffnungslos.

Ich kann nicht

Ich kann nicht fremdgehen - wenn es keine Beziehung gibt.
Ich kann nicht untreu sein - wenn es niemanden gibt, dem ich treu sein kann.
Ich kann nicht auf Dich warten - wenn Du nicht mit mir gehen willst.
Ich kann mich nicht entschuldigen - wenn ich es nicht getan habe.
Ich kann Dir nur sagen, was ich empfunden habe und wie sehr ich Dich liebe und hoffen, dass Du mir verzeihst.

Sprachlos

Sie konnte nicht darüber sprechen. Das war vor dem Augenblick an klar, als sie es bemerkt hatte. Darüber zu sprechen mit der besten Freundin oder der Familie, dem Ehemann oder den eigenen Eltern, das war unmöglich. Es würde wahrscheinlich Vorwürfe hageln. Warum sie denn nichts gesagt hatte. Warum sie nicht beim Arzt gewesen war. Warum sie nicht alles versucht hatte, um es zu verhindern. Warum sie ihren Ehemann anlügen würde. Sie würde sich für etwas rechtfertigen müssen, für das sie sich weder rechtfertigen wollte noch konnte. Schließlich hatte sie es nicht gewusst und wie sollte man denn über etwas reden oder etwas erzählen, wenn man es nicht weiß? Wie soll man zu einem Arzt gehen und um Hilfe bitten – hätte sie um Hilfe gebeten? Wohl nicht, es wäre keine Hilfe notwendig gewesen -, wenn einem nicht einmal bewusst ist, dass man einen Arzt braucht?
Es würde sich herumsprechen. Ihr Mann, Julian, würde es natürlich seinen Eltern erzählen. Die würden beim nächsten Besuch – wenn Schwiegermutter Rita nicht schon vorher verlangte, sie zu sprechen – über nichts anderes reden. Das heißt, nein, zuerst würde sie ihre Schwiegertochter, die sowieso zu nichts zu gebrauchen war, eine schlechte Köchin, eine miserable Hausfrau und dann war sie bis jetzt nicht einmal Mutter, was sie noch sehr viel mehr aufregte, als alles andere, ignorieren. Rita beträte die gemeinsame Wohnung, stolzierte an der verhassten Schwiegertochter vorbei und bemutterte ihren erwachsenen Sohn. Kein Gruß, kein Hallo, kein gar nichts. Das gemeinsame Kaffeetrinken würde schrecklich werden. Belanglose Gespräch über Personen, die sie nicht kannte oder kennen wollte, normale Themen, bei denen sie nicht mitreden durfte, weil die Schwiegereltern sie als dumme Gans abgestempelt hatten, sagte sie dann doch etwas, würden alle sie anstarren und dann darüber hinweggehen. Bei einer unpassenden Gelegenheit, wenn Rita sicher sein konnte, die voller Aufmerksamkeit aller Anwesenden zu bekommen, würde sie verbal losschießen. Ein Redeschwall aus Vorwürfen und Beleidigungen, die allesamt tief verletzen würden. Ihr Mann würde nichts sagen und ihr Sohn auch nicht – die Schwiegertochter hatte sowieso irgendwann erkannt, dass sie ihr nicht gewachsen war.
„Petra!“ Es war eine Mischung aus Befehlston und tiefem Hass, der mit diesem Namen mitschwang. Die Angesprochene war nichts anders von ihrer Schwiegermutter gewöhnt.
„Petra, was hast du dir denn dabei gedacht? Meinst du, ich lasse zu, wie du meinen Sohn unglücklich machst? Ich kann gar nicht verstehen, was er an dir gefunden hat. Er muss blind gewesen, als er dir einen Antrag gemacht hat, aber nun ja. Für dich ist es ja eine gute Partie. Aber dass du ihm jetzt eine Schwangerschaft verheimlichst, das ist ja wirklich unfassbar!“ Ihre Stimme wäre bedrohlich ruhig und würde gegen Ende der Rede anschwellen zu einem wütenden Ausbruch. „Wie hast du es denn geschafft, dass dein Körper das Kind abstößt? Hast du gesoffen? Geraucht? Die Pille danach, nur um Julian seinen Kinderwunsch nicht zu erfüllen? Oder kennst du irgendwelche Hausmittel von deiner Großmutter, die nachgeholfen haben?“ Petra würde schweigen. Es gab nichts zu sagen und nichts hätte ihre Schwiegermutter gelten lassen.
Was hätte ihr Mann gesagt, wenn er die Wahrheit erfahren hätte? Natürlich hätte am allermeisten seine Mutter dazu gesagt. Dafür hatte Julian sie schließlich und er konnte sich gegen sie nicht durchsetzen und hätte sich nie gegen sie aufgelehnt, ihr auch nur einmal widersprochen oder sich auf die Seite seiner Frau gestellt. Julian hätte geschwiegen und wäre wahrscheinlich genauso stumm vom Sofa aufgestanden und in die Küche oder ins Schlafzimmer gegangen. Hauptsache weg von Petra, die nicht mal das hin bekam. Er musste sich selbst eingestehen, dass die Wohnung sauber war, auch wenn seine Mutter etwas anderes behauptete, das Essen war durchaus lecker, wenngleich es schon vorgekommen war, dass etwas leicht angebrannt gewesen war. Aber das passierte jedem mal, daran machte er die Qualitäten einer guten Ehefrau nicht fest. Die Kinderlosigkeit jedoch war ein Problem für ihn. Drei hatte er haben wollen, schon immer. Drei Kinder, Junge – Mädchen – Junge, am besten in dieser Reihenfolge. Das dritte Kind hätte auch ein zweites Mädchen sein können, vielleicht war das sogar besser. Aber mittlerweile waren Petra und er über fünf Jahre verheiratet und keine Kinder in Sicht. Obwohl er seinen ehelichen Pflichten genügend nachkam und sich vor drei Monaten sogar hatte untersuchen lassen, aus Angst, es läge an ihm. Es lag nicht an ihm, aber er konnte Petra nicht sagen, sie solle sich untersuchen lassen. Außerdem ging sie regelmäßig zu ihrem Gynäkologen, da wäre es doch mal aufgefallen, wenn etwas nicht in Ordnung wäre, oder?
Aber all diese Gedanken kannte Petra nicht, denn beide hatten schon lange verlernt, solche Dinge miteinander zu besprechen und lebten eher nebeneinander als miteinander.
Wenn er es also erfahren würde, würde er die räumliche Trennung suchen, die nächste Nacht nicht an ihrer Seite verbringen und wahrscheinlich bitter enttäuscht die Scheidung einreichen. Das Projekt Ehe und Familie mit Petra wäre somit für ihn wohl gescheitert.
Was hätte ihre beste Freundin gesagt? Selbst Mutter von drei Kindern, glücklich, am Überlegen, ob es nicht noch ein viertes Kind geben sollte. Natürlich hätte sie ein bisschen mehr Verständnis gehabt, als Julians Familie, aber sie hätte trotzdem dazu geraten, zum Arzt zu gehen, sich untersuchen zu lassen und: „Vielleicht solltest du mal deine innere Einstellung überdenken. Es ist doch nicht normal, dass du nicht schwanger wirst und jetzt auch noch das Kind verlierst. Du willst eigentlich gar keins, stimmt’s? Deswegen klappt es auch nicht, weil du dich dagegen innerlich sperrst. Ist Julian vielleicht nicht der Richtige für dich?“ Natürlich war Julian der Richtige, aber es klappte nun mal nicht mit der Schwangerschaft. Das konnte doch vorkommen, oder? Es war keine Hilfe zu erwarten. Von keiner Seite.
Selbst Petras Eltern würden keinen wirklich Rat wissen und hilflos zu trösten versuchen. Aber es würde nicht tröstlich sein.
Es gab keine Trost und es gab nicht die richtigen Worte. Petra hatte es alleine durchgestanden. Die Veränderung des Körpers hatte sie kaum mitbekommen, aber es war so ein Gefühl gewesen, so ein unbestimmtes. Einige Tage hatte die daran gedacht, einen Schwangerschaftstest zu machen und wenn der positiv gewesen wäre, hätte sie einen Termin beim Gynäkologen vereinbart. Doch da waren die Schmerzen kommen. Bittere Schmerzen im Unterleib, dumpf und drohend, stoßweise, wieder abklingend. Da hatte sie es gewusst. Etwas Kleines war in ihr. Hatte sich dort gebildet und einnisten wollen, aber der Körper hatte nein gesagt und stieß den ungebetenen Gast ab. Beim Aufwachen spürte sie schon das Blut zwischen ihren Beinen und traute sich kaum, die Bettdecke zurückzuschlagen. Das Laken war voller Blut. Sie duschte, versuchte, die Blutung in den Griff zu bekommen und machte das, was sie jeden Tag tat. Die Blutung war stark, sie musste öfter Binden und Tampons wechseln als in den Tagen ihrer Menstruation, aber es war egal. Petra spürte die Schmerzen, das Blut, das still aus ihr herausfloss, das Stückchen Leben, dass da starb. In ihr war alles leer und taub, nur der Schmerz zeigte ihr, dass sie lebte. Keine Tränen, keine Flüche, keine Gespräche. Nur Schweigen, das sich ausbreitete. In ihr und in der Wohnung und noch mehr zwischen ihr und Julian. Und das kleine Etwas, das an all dem etwas hätte ändern, das die Freude wieder in sie hätte bringen können, lag tot und unkenntlich in mehreren Klumpen Blut.
Darüber kann man nicht sprechen.